Chroniken » Chroniken VI. - Die Zeit der Toten: Berichte und Erlebnisse vom Hof der Nacht im Jahre 2009
2009.01.17 - Vergehen: Nachruf Abbé Philippe, Zorn
19.01.2009 - 14:36

Alpträume plagen sie seit Tagen - Ängste verfolgen sie und diese stille Wut, welche wie ein brodelnder Vulkan in ihr schlummert, lässt sie Angst vor sich selbst haben.

Ihre Arbeit sollte darunter nicht in Mitleidenschaft gezogen werden. Immerhin hat sie im Sommer ihre Prüfung zur staatlich geprüften Thanatopraktikerin. Zumindest das kann sie trennen.

Der vergangene Abend neulich am Hofe der Nacht ließ tiefe Wunden in ihrem Herzen zurück. Kaum hatte sie eine Familie gefunden, schon wurde sie wieder zerstört. Sie hat an diesem Abend erfahren, dass Aido das Haus verlässt. Es war für sie wie ein Schlag ins Gesicht. DER Aido, der sie im vergangenen Sommer am Hofe der Nacht doch so fürsorglich und höflich behandelt hatte. Das wollte nicht in ihren Kopf. Als sie dann noch erfuhr, dass Cara entführt wurde und Philippe sich nun auf die Suche nach seiner Tochter machen wollte. Sie brach in Tränen aus. Das Haus, welches ihr Schutz bietet, schrumpft immer mehr! Ausgerechnet jetzt, wo sie begann, sich dort einzuleben und ihre neue „Familie“ zu mögen. Phillippe war ihr einziger Trost gewesen. Nie zuvor spürte sie einen solchen Schmerz, als Philippe ihr die Sachlage erklärte. Er überreichte ihr noch etwas scheinbar sehr wertvolles, sie hütet es seither wie einen Schatz.

Der Abend sollte aber nicht so friedlich verlaufen, wie alle gedacht hatten. Ein weiterer schwerer Schlag traf sie, als sie mitten aus einem Gespräch mit einem Rechtsanwalt von Aramis gerissen wurde, um zu Philippe zu eilen. Aramis zerrte sie regelrecht mit sich, doch die blauen Flecken an ihren Handgelenken hat sie sofort vergessen, als sie sah, was da vor sich ging. Philippe lag im Sterben - kann ein Vampir sterben? Nun ja,er war dabei, zu Asche zu vergehen. Obgleich sie mit ihrem menschlichen warmen Blut diesem zu Asche zerfallenden Vampir noch so helfen wollte, es gab keine Chance mehr. Sie hielt seine Hand und murmelte mit tränenerstickter Stimme etwas auf arabisch. Es hörte sich an wie ein Gebet. Nachdem sie fertig war, und nur noch Philippes Asche vor ihr lag, sie seine Ringe in ihren zitternden Händen hielt, wurde sie plötzlich sehr zornig. Am Liebsten hätte sie diese ganzen verdammten Gaffer zur Hölle gejagt - und besonders diejenigen, die hämische Reden geschwungen hatten. Dieses dekadente Gewäsch! Sie konnte es nicht mehr ertragen. Ob sie eines Tages auch mal so werden würde wie diese scheinbar geisteskranken Vampire? Dann würde sie eher alt und grau werden wollen, wie ein normaler Mensch und eines Tages sterben.

Ihr Zorn kannte an diesem Abend plötzlich keine Furcht mehr, sodass sie im Affekt sicherlich den einen oder anderen am Hofe der Nacht gegenüber nicht gerade positiv aufgetreten war. Aber das war ihr egal. Zorn und der brennende Wunsch nach Rache und Vergeltung machten sich in ihrem Herzen breit. Obwohl sie es war, die bislang immer Vergebung aller Sünden und Frieden angestrebt hatte.

Und seit diesem Moment wünschte sie sich einen Verräter, der auf den Schuldigen zeigen würde. Und diesmal auf den richtigen Schuldigen. Der dann für seine Sünden gerichtet werden würde.

„Auch Dich wird der Tod ereilen, und wenn Du in dem noch so höchsten Turm sitzt!“ (4. Sura Al Nisâ)

Wie sie sich bereits vorgenommen hatte, im Jahr 2009 soll es anders werden.

Philippes Asche wurde an einen sicheren, unbekannten Ort gebracht.

Nachruf auf Abbè Philippe

Zum zweiten Mal in meinem Leben wurde meine Familie zerrissen.
Ein Vater wurde mir genommen.
Vieles hätte er uns noch beibringen können.
Doch dazu wird es nicht mehr kommen.

Er war auf seine Art und Weise für mich ein Freund,
doch Vorsicht denen, welche ihn hatten zum Feind.
Stumme Schreie dringen aus meinem Herzen.
WARUM? Warum...

Für viele war er ein Hirt, der seine Schafe wohl behütet,
für andere war er einfach nur ein Freund,
wiederum war er einer, der nicht viel verbietet,
doch wer war nun sein wirklicher Feind?

Sein untoter Leib mit Leben gefüllt, ist nun von uns gegangen,
doch seine Seele wird unter uns bleiben.
Nein, er ist nicht endgültig von uns gegangen,
erst dann, wenn wir aufhören, an unseren Vater, Freund und Hirte zu denken...

Die Trauer lässt unsere Gedanken blockieren,
doch die Herzen schlagen weiter.
Viel zu wenige Worte für einen geliebten und geachteten Vater,
welcher von uns gegangen ist - jedoch nur mit seinem Leib...

Wie es steht in der Bibel geschrieben:
Die Seele ist unvergänglich und stirbt nie!

Im Namen des Hauses Saintclaire,

Aramis du Coéur

Azana Malik Al Haqeem

Und allen anderen.


LucitaMariaMedina


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