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6. Akt: Vier der Scheiben - Machtspiele
30.06.2004 - 12:32

Ich hatte alles verloren. Meine Familie, das Geschäft und unser Wohlstand waren den alles verzehrenden Flammen zum Opfer gefallen. Da ich noch nicht ganz im heiratsfähigen Alter war und nun ohne finanzielle Mittel wohl auch nicht mehr geheiratet werden würde, blieb mir nur eine Möglichkeit offen – ich musste meinen Körper verkaufen.

So lernte ich in den nächsten Jahren die Kunst der Liebe, Lust und Leidenschaft als gelehrsame Schülerin, denn nur sie würde für mich der Schlüssel zu Reichtum und Macht sein. Manipulation war mein Zauberwort.

Durch eine glückliche Fügung des Schicksals wurde ich die Mätresse eines einflussreichen Mannes, der für seine Lüste und Triebe bereit war, viel Geld auszugeben. Ich bekam ein eigenes kleines Haus, stilvolle Möbel, hübsche Kleider und Schmuck. Des Nachts flüsterte ich ihm Ideen ein, die seinen Ruhm und seine Macht noch erhöhen würden und mir selbstredend von Nutzen sein würden. Aber all dies reichte mir nicht. Ich wollte mehr – mehr Geld, mehr Macht. Ich wollte ALLES!

Und dann traf ich ihn! Dies geschah im Zuge einer kleinen Orgie, die mein Gönner als Gastgeber ausrichtete und die natürlich ganz im geheimen in einem kleinen, erlesenen Kreis gefeiert wurde. Der Fremde war ein angereister Gast aus einem anderen Land – edel, distinguiert, zurückhaltend und beobachtend. Ich konnte meinen Blick gar nicht mehr von ihm wenden, so sehr war ich von seinem Äußeren und seiner Fremdheit fasziniert. Er wiederum schien den Genuss des Zusehens der aktiven Teilnahme an der Orgie vorzuziehen, wobei seine glühenden Augen doch immer wieder die meinen fanden. Ich wollte diesen Mann. Ich wollte seine Macht. Ich wollte sein edles Erbe. Ich wollte seine Liebe. Die Nacht der Orgie verstrich jedoch, ohne daß ich mich ihm hatte nähern können. Mein Gönner erinnerte sich seltsamerweise nicht an den Fremden, so wenig wie sonst jemand in der Stadt eine Person dieser Beschreibug gesehen hatte. Ich war verzweifelt. So nahe dem nächsten Ziel und doch nicht erreichbar!

Doch einige Tage später erhielt ich ein Schreiben, eine mysteriöse Einladung, der ich aus Neugier und Hoffnung Folge leistete.

Der Fremde saß in einem hohen Sessel aus rotem Samt und fixierte mich mit seinem Blick ohne ein Wort der Begrüßung zu sprechen. Wir verharrten beide einige Minuten im Schweigen in unseren Positionen bis er sich plötzlich mit einer geschmeidigen, schnellen Bewegung aus dem Sessel erhob, an mich herantrat und mir mein Kleid vom Leibe riß.
Das war der Moment, in dem ich aus meiner Erstarrung erwachte. Nun würde ich meine Macht einsetzen, die Waffen einer Frau, und mit all meinen Liebeskünsten ihn in höchste Ekstase und Leidenschaft versetzen, auf dass er mir verfalle und ich ihn mir zunutzen machen würde…

Nun, ich habe ALLES bekommen – Macht, Reichtum und die Unsterblichkeit. Aber ist das schon Alles oder bin ich noch zu beschränkt in meinem Denken? Es muß noch mehr geben. Ich werde es finden…


Cassiopeia


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