Welt » 1. Wesen der Nacht - Vampire und Sterbliche
1.2. Erwählte - Auf schmalem Grat
22.06.2004 - 12:07

"Welchen Unterschied gibt es zwischen uns, außer einem rastlosen Traum, der meiner Seele folgt, aber fürchtet, dir nahe zu kommen?"
(Kahlil Gibran)

Ich befinde mich am Scheidepunkt. Hier wird es sich entscheiden. Ich stehe an der Schwelle, nur ein kleiner Schritt und ich tauche ein in eine Welt hinter dem Vorhang der Nacht. Und genau dieser kleine Schritt ist so schwer...
(Chantal, Erwählte des Hauses Lucius)

Es ist wie eine Droge, all diese Pracht und all diese Aufmerksamkeit. Lucia hatte mich nicht darauf vorbereitet, als sie mich zum ersten Mal mitnahm auf eines der Feste. Ich hatte das Gefühl, bestaunt zu werden, beachtet, ja bewundert. Sie behandelten mich fast wie eine Prinzessin. Aber, glauben sie mir, alles hat seinen Preis. Ob ich jemals tauschen möchte?
Nein, danke, ich habe noch ein eigenes Leben. (Julia, Erwählte von Lucia, Haus Noctis)

Es ist ein einfaches Geschäft. Er braucht meine Dienste. Und ich mache den Job. Keine Ahnung, warum gerade ich, aber sowas hinterfragt man besser nicht. (Richard, Persönlicher Sekretär und Leibwächter des Marcus) Unglaublich! Sie sind fleischgewordene Geschichte, Augenzeugen der Ewigkeit. All dieses Wissen, all diese Erfahrungen! Es ist ein schieres Wunder, gerade für einen offenen Forschergeist, wie den meinen.
(Wolfhardt Speer, Haushofmeister des Hauses Chronos)

Sie ist so unschuldig, ihre Gedanken sind so unbekümmert in dieser feindlichen und für sie völlig fremden Welt. Was könnte ich anderes tun, welchen besseren Sinn könnte ich meinem Leben geben, als es ihr zu widmen, sie zu lieben und sie zu beschützen?
(Gabriel, Gefährte von Camilla)

Wir sind Auserwählte, vom Schicksal und von den Engeln der Nacht dazu ausersehen, unter ihnen zu wandeln, teilzuhaben an ihrem Leben und ihren Festen. Es ist so schön, so herrlich, so ergreifend. Es ist wie eine Leidenschaft, ein tiefes, rotes Verlangen. Wenn ich nur treu und loyal genug bin, werde ich eines Tages den Dunklen Kuss erhalten.
Eines Tages.
(Juliette, Tochter des Lebens des Hauses der Schatten)

Wir stehen in einer großen Tradition, die schon Jahrhunderte alt ist. Meine Familie hat meinem Haus seit mehr als 100 Jahren gedient und es hat sich für uns mehr als einmal ausgezahlt. Ich bin mir der Verantwortung meiner Aufgabe voll bewusst, so wie mein Vater und mein Großvater vor mir.
(Karl, Majordomus des Hause Lucius)

Warum ich das hier mache? Kindchen, sei doch nicht dumm...wir werden schliesslich alle nicht jünger. Und Vampir hin oder her...nur Marlene verspricht mir eine Chance auf Unsterblichkeit.
(Stella, Muse der Marlene, Haus Vinzenco) 

Ich war immer schon ein Grenzgänger, einer der leicht auf dem Drahtseil balancierte. Für mich ist dieses Wandeln auf der schmalen Kante zwischen ihrer Welt und unserer Welt daher nur natürlich.
(Harald, Erwählter des Raphael, Haus der Dämmerung)

Ich beobachte.
Ich schweige.
Ich warte.
Bis die Nacht der Rache kommt.
(Thomas, Erwählter der Claudia)

Dieses Talent macht mich zu etwas Besonderem. Das war der Grund, warum ich erwählt wurde. Ich würde gerne mehr darüber wissen, mehr daraus machen - und das kann ich nur hier, nur durch die Vampire.
(Silvana, Seherin des Hauses der Schleier)

Das ist eine ganz einfache Gleichung. Der Vampir ist ein Wesen der Dunkelheit, der Vergangenheit. Ich aber bin ein Wesen des Lichts und der Gegenwart. Er braucht mich um eine Verbindung zum Leben und zu dieser Zeit aufrechtzuerhalten, da nur ich das Talent habe, durch den Schleier zu blicken. Ohne mich wäre er nichts, nicht mal eine Erinnerung. Erst in mir findet er den Beweis seiner Existenz. Zusammen bilden wir ein Ganzes. Glauben Sie, das wüßte er nicht?
(Christopher, Freund und Weggefährte von Alexander, Haus der Fächer)

Mein Meister...ohja....mein Meister ist gut zu Ivan. Viel besser als die anderen Herrn zu ihren Dienern...ohja! Mein Meister ist gut zu Ivan.....straft Ivan nur, wenn Ivan Dummes tut...mein Meister hat Ivan gern....ohja... Ivan passt ja auf....kenne alle Wege in der Zuflucht meines Meisters.....bewache meinen Meister am Tag. Wenn mein Meister nicht gut zu Ivan wäre, würde Ivan vielleicht einmal dumm sein und die Sonne würde hereinkommen, wenn mein Meister schläft. Aber mein Meister ist ja gut zu Ivan....ohja... (Ivan, Diener von Baron Dimitri Harkow, Haus Tepés)

Erwählte sind jene Geprägten, die den ersten Schritt in die Dunkelheit getan haben.

Sie wurden von einem Vampir erkoren, als Gefährte oder Begleiter an seiner Seite zu sein und vielleicht einmal selbst den Dunklen Kuss zu empfangen. Erwählte sind diejenigen, die hinter den Vorhang blicken dürfen, die den Tanz des Todes mittanzen und ihre ersten Schritte am Hof der Nacht getan haben.

Der Ursprung

In den alten Zeiten waren die Erwählten diejenigen, die von einem Vampir ausgewählt wurden, um irgendwann den Vorhang der Nacht zu durchschreiten.

Um ihre Eignung zu prüfen und um den Segen der Ältesten einzuholen, war es üblich, dass man seinen Erwählten in die Gesellschaft einführte, ihn regelrecht präsentierte, um dafür Anerkennung, ja Bewunderung zu ernten und um herauszufinden, ob er als Nachkomme geeignet sei.

Für eine Erwählung kommen nur jene Menschen in Betracht, die aufgrund einer Laune des Schicksals oder mystischer Vorhersehung die Gabe haben, hinter den Schleier zu blicken und nicht vom Vergessen beeinträchtigt werden.

Da es immer nur wenige geeignete Geprägte gab, war es stets ein schwieriges Unterfangen, einen passenden Kandidaten zu finden. Nicht nur das, die Vampire konkurrierten häufig um besonders vielversprechende Geprägte, umgarnten sie und warben sie einander ab.

Daraus wurde im Laufe der Zeit eine regelrechte Prestigefrage, als manche Häuser damit begannen, sich gegenseitig darin zu übertreffen, besonderes zahlreiche und beeindruckende Geprägte zu erwählen. Um sich gegen solche feindlichen Angriffe zu wehren, begannen viele Häuser damit, ihre Erwählten einen Bluteid leisten zu lassen, um sich ihre Loyalität zu sichern.

A
us der Konkurrenz um die Erwählten entsprangen unzählige Feindschaften, Intrigen und Machtkämpfe.

D
as Ansehen eines Vampirs und seiner Familie ergibt sich auch heute noch aus der Zahl und Qualität seiner Erwählten, aus der Größe seines Gefolges. Erwählte, vor allem diejenigen, die einen Bluteid geleistet haben, gelten als Teil des Hofstaats eines Hauses. Der Versuch einen Erwählten, der einen solchen Eid geleistet hat, "abzuwerben" wird als aggressiver und feindlicher Akt betrachtet.

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Die Erwählung

Es gibt viele verschiedene Wege, wie ein Geprägter zum Erwählten wird.

Häufig ist es so, dass ein Vampir auf einen Geprägten aufmerksam wird, ihn beobachtet und sich ihm schliesslich offenbart. Nach einer gewissen Zeit, manchmal auch sehr schnell, führt der Vampir seinen Erwählten dann in die Gesellschaft ein. Meist stellt er ihn zunächst seinem Ältesten vor.

Es kommt auch gelegentlich vor, dass "ungebundene" Geprägte auf eine Versammlung oder ein Fest geladen werden, wo sich dann Vampire geeignete Kandidaten aussuchen können. Manchmal werden solche Geprägten auch als eine Art "Gastgeschenk" mitgebracht.

Es gibt sogar ein paar traditionelle Häuser, bei denen die "Erwählung" formalisiert und an einen Bluteid gebunden ist. Genauso kommen Konstellationen vor, in denen es keine Formalien oder Regeln dazu gibt - gerade bei kleinen Familien und Einzelgängern ist das fast der Regelfall.

Die Sicht der Vampire

E
rwählte haben eine sehr ambivalente Stellung am Hofe der Nacht.

Einerseits sind sie den Vampiren untergeordnet und werden als einfaches Gefolge betrachtet. Andererseits stehen sie im Rampenlicht, im Zentrum der Aufmerksamkeit der Vampire, umgarnt und heimlich bewundert, manchmal geradezu gefürchtet. Ein Erwählter, der neu in die Gesellschaft kommt, kann sich sicher sein, mit Interesse und Aufmerksamkeit geradezu überschüttet zu werden.

Das Verhältnis des einzelnen Vampirs, oder einer einzelnen Familie zu ihren Erwählten ist höchst individuell und so unterschiedlich, wie die Motive, die einen Vampir dazu treiben, jemanden auszuwählen, der den dunklen Kuss erhalten soll.

Es gibt praktisch alle Spielarten der Beziehungen zwischen Vampiren und ihren Erwählten. Manche, vor allem traditionelle Älteste und ihre Häuser betrachten ihre Erwählten als eine Art von Dienern oder Leibeigenen.

Andere Vampire sehen sie als Gefährten, Geliebte, Gefolgsleute, Wächter über ihren Todesschlaf am Tag oder nützliche Helfer, für Angelegenheiten, die der Vampir nicht selbst erledigen kann.

Einige Vampire verklären oder verehren ihre Erwählten geradezu, machen sie zu Musen, zu Quellen ihrer Inspiration oder zu Objekten der Begierde und Leidenschaft.

F
ür viele ältere Vampire stellen ihre Erwählten ihre Verbindung zum Leben, ihre Brücke in die Gegenwart dar, von der sie abhängig sind, um nicht dem "Verblassen" anheim zu fallen.

Vermutlich würden sich die meisten Vampire dies niemals eingestehen. Auch ist so manchem Vampir nur allzu bewußt, dass sein Erwählter, manche seiner intimsten Gedanken, verborgensten Geheimnisse und häufig auch den Ort seiner Zuflucht kennt.

Das ist ein weiterer Grund, warum um die Loyalität und Treue von Erwählten so erbittert gekämpft wird.

Da Erwählte ja irgendwann auch alt werden und sterben, gibt es Fälle, in denen der Dienst an einem Vampir regelrecht von Generation zu Generation in der Familie weitergegeben wird.

Die Sicht der Erwählten

Man sagt nicht ohne Grund, dass Vampire, jene dunkelschimmernden und ewigen Wesen eine besondere Faszination ausstrahlen.

Erwählte, die ja selbst auch vom Schicksal berührt wurden, fühlen sich häufig von den Geschöpfen der Nacht unwiderstehlich angezogen. Möglicherweise hat dies etwas mit Vorherbestimmung zu tun. Vielleicht ist es aber auch nur ein Teil jenes Mythos des Vampirs, der uns alle begeistert, berührt und manchmal auch verführt.

Darüber hinaus gibt es viele, höchst individuelle Gründe, die jemanden dazu bewegen, sich einem Vampir anzuschliessen.

Am häufigsten mag die Aussicht sein, selbst einmal ein Vampir zu werden. Der dunkle Kuss ist für viele Erwählte das wohl wichtigste Motiv, ein Lockmittel, dass von Vampiren auch gezielt so eingesetzt wird. Doch längst nicht alle Erwählten erhalten wirklich irgendwann den dunklen Kuss.

Es gibt unendlich viele weitere "klassische" Motive, wie Liebe, Hass, Machtgier, Todessehnsucht, Rache, Lust, Mitleid oder auch das Streben nach Ruhm und Anerkennung.

Entscheidend ist, dass Erwählte über einen eigenen, freien Willen verfügen. Sie können keinesfalls von ihrem Vampir völlig kontrolliert werden, auch wenn manche Älteste eine gewisse Macht über ihre Erwählten besitzen. Die meisten Vampire achten sorgsam darauf, dass ihnen ihre Erwählten nicht "untreu" werden.

Manche Erwählte richten ihr Leben ganz nach den Wünschen ihres Vampirs aus. Andere wiederum sind Grenzgänger, die versuchen in beiden Welten zu leben.

Dies kann eine ganze Weile gut gehen, aber irgendwann muß jeder Erwählte wohl doch eine Entscheidung treffen - eine Entscheidung für die Ewigkeit.



Mercurius


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