Buch der Masken » Inaktive Rollen
Gwyneth
01.09.2007 - 12:07

Vampirin, Haus Romanus

(dargestellt von Mareike Brüning)

So if you read these words
Remember the sensation
Of sharing the emotions
The hopes and the frustration

And maybe in the echoes
You'll find me touching you
Even when I'm long gone
My soul lives in each song
(Gwyneth)

"The head never rules the heart,
but just becomes its partner in crime."
(Mignon McLaughlin)



Worte...

Es fällt mir so einfach sie niederzuschreiben, wenn sie von meinem Herz scheinbar direkt in die Tinte fließen, ohne sich erst mit meinem lästigen Kopf auseinandersetzen zu müssen... der sie doch jedes Mal aufzuhalten versucht, wenn ich sie aussprechen will. Ja, in diesen Momenten, wenn sich mein Kopf ausschaltet, kann ich sie auf dem Papier erscheinen lassen, das so viel geduldiger ist als der gierige Äther, der sie von meinen Lippen zerrt, der sie verschlingt und zerreist, ihnen ihre Reinheit nimmt und sie schließlich für immer verschwinden lässt.

Doch selbst das Papier hilft kaum, um sie zu verstehen, wenn sie so schnell ihre Bedeutung ändern oder gar verlieren, durch Ereignisse, Begegnungen, ein wachsendes Verständnis oder schwindende Illusionen. Wie schnell wird aus dem Hoffnungsschimmer ein Schatten... wie schnell wird aus dem Schatten eine Zuflucht... wie schnell wird aus der Zuflucht ein Mienenfeld.
All die Worte...
All die Möglichkeiten...
Und all die Erinnerungen, die in ihnen verborgen sind, nur darauf wartend, dass ich sie aufwecke. Wartend, wie die Glut auf einen Windhauch...

Liebe...
Schöner Kindertraum, Idee der Poeten, Konsequenz von tanzenden Hormonen. Bis ich sie dann spüre...


Ich wache auf. Nein – noch nicht die Augen öffnen. Für einen Moment kann ich so tun, als wäre die Wärme nicht einsam, das Bett neben mir nicht leer. Ja, ich weiß dass sie fort ist, aber für diesen Moment will ich mich der Illusion hingeben, als müsste ich nur meine Hand ein wenig bewegen um sie zu spüren, sie zu küssen, mit ihr über die alberne Morgenmoderation im Radio zu lachen, Pläne für den Tag zu schmieden.
Nein. Finde dich damit ab. Sie hat dich sitzen lassen und du bist selbst Schuld. Deine Tage sind jetzt leer. Die Nächte jedoch...

Hoffnung...
Ewiger Selbstbetrug, damit man sich weiter anstrengt, jenseits jeder Vernunft, um nicht akzeptieren zu müssen, was am Ende doch unvermeidlich ist. Ein Flackern in der Sommerluft, eine Illusion... die sich immer wieder in mein Herz schleicht.


Ich stehe an ihrem Grab und schließe die Augen. Ich bin wieder dort. Die Schläuche, die piependen Geräte, der leere Blick, in denen nur noch selten Erkennen aufflackert. Es tut mir so leid... wir haben so hart gekämpft, so lange... hätten wir mehr tun können? Ja, ich hätte mehr tun können, ganz sicher. Aber jetzt ist es zu spät und ich weiß, dass ich dich verliere, es akzeptieren muss, erwachsen werden muss, auch wenn sich jede Faser meines Körpers dagegen sträubt.
Ich stehe an ihrem Grab und betrachte die einfache Inschrift.

Monika Harper
1966-2006


Ich lege die Chrysanthemen auf das Grab und flüstere ein "Happy Birthday Mum." Ich hoffe sie gefallen ihr.

Freundschaft...
Zu oft nur ein Mittel zum Zweck, so schnell verloren wie sie begonnen ist. Missbraucht, zerbrochen, gefälscht, eine Porzellanpuppe die immer mehr von ihrer Schönheit einbüßt... und doch vertraue ich immer wieder darauf, auch jetzt. Denn vielleicht ist sie diesmal etwas Wahrhaftiges.


Ich stehe vor dem Spiegel, bin mir nicht ganz sicher mit dem Outfit, drehe mich zu ihr um. Die Sonne ist kaum untergegangen und sie ist extra früh aufgestanden um mir zu helfen. Ich sehe sie unsicher an.
"Irgendwas fehlt noch, oder? Vielleicht Schmuck?"

Tatjana nickt langsam, mustert mich. "Hast du eine Krawatte oder so was?"

Ich überlege kurz, nicke dann. "Ja, warte..."

Ganz unten in der Reisetasche finde ich das schwarze Band, halb zerknittert. Ich versuche es um meinen Hals zu binden, aber sie schüttelt den Kopf, kommt näher. "Nein... so..."

Kühle Fingerspitzen an meinem Dekollete. Sie macht einen leichten Knoten, lässt das Band dort lose hängen. Ich blicke in den Spiegel und lache.

"Gott, ich sehe aus wie eine Kampflesbe."

Sie lächelt, schüttelt den Kopf. "Du siehst heiß aus."

Ich schlucke, murmle ein "Danke", merke wie ich rot werde und schaue mich dann um, auf der Suche nach meinem Make-Up. Es ist schon seltsam... es wird einen Kampf geben, ein Duell, bei dem mit hoher Wahrscheinlichkeit jemand sterben wird. Ich werde mich wieder ins Zwielicht begeben, und ich mache mir Sorgen um mein Styling.

All die Worte...
All die Möglichkeiten...
Sie warten nur darauf, von mir entdeckt zu werden... Irgendwann, da bin ich mir sicher, werde ich das eine finden. Vielleicht Freundschaft, vielleicht Liebe, vielleicht auch Tod, die Auswahl ist schier unendlich. Aber in Wirklichkeit wird es nur eine Bedeutung haben: Chance. Und ich werde sie nutzen.


GwynethHarper


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