Chroniken » Chroniken III. - Die Zeit des Rades: Berichte und Erlebnisse vom Hof der Nacht im Jahre 2006
2006.09.30 - Demanda de la Sangre: Tagebucheintrag von Pia
05.10.2006 - 12:52

So viel Zeit ist vergangen, seit meinem letzten Eintrag!

Und so viel ist passiert! Zu lange konnte ich nichts schreiben, weil ich einfach… weil es mir einfach zu schlecht ging? Ich zu aufgewühlt war?

Ich bin so froh, dass ich noch lebe! Ich bin Nekhrun so dankbar, dass er mir noch gerade rechtzeitig die Augen geöffnet hat!

Und trotzdem: Noch immer fahren meine Gefühle Karussell, bin ich hin und her gerissen zwischen Liebe, Wut, Hoffnung und Traurigkeit...
Wut auf Vicente, wie konnte er nur diese Person zu uns einladen? Was hat er sich dabei nur gedacht?
Liebe zu AiDo verbunden mit der Traurigkeit, dass er dieses tiefe Gefühl nicht erwidern kann.
Und Hoffnung, endlich, Hoffnung für die Zukunft, die nicht mehr von Schuld und Schmerz überschattet ist.

Die ewigen Schuldgefühle sind nicht mehr da. Endlich habe ich das hinter mir gelassen. Diese so schwere Last, die ich trug, seit meine Mutter fort ging und mein Vater starb, wurde von mir genommen. Ich bin Nekhrun zutiefst dankbar, dass er mir gerade rechtzeitig, genau im richtigen Moment die Augen geöffnet hat! Ich bin so voller Mut, so voll des Willens, mich der Dunkelheit, die uns alle umgibt, weiterhin zu stellen, wie ich es nie zuvor war. Mein Leben wurde in dieser Nacht für immer verändert! Ich sehe meine Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft mit ganz anderen Augen.

Und auch meine Familie sehe ich nun wieder mit anderen Augen, erkenne wieder, was ich an ihnen allen habe und bin wieder bereit und willens, auch für sie da zu sein, wenn sie mich brauchen. Obwohl jeder von ihnen seine Schattenseiten hat, die ich nach und nach kennen lernen musste. Aber wer ist schon frei von Fehlern?

Ich weiß gar nicht so recht, wo ich anfangen soll. So viel ist passiert...
Am besten beginne ich mit der Soirée in der Villa Asusena vor knapp fünf Wochen, denn da wurden doch einige große Puzzlestück zusammengelegt, die zu dem führten, was sich danach ereignete.

Ich wurde an diesem Abend maßlos enttäuscht, denn das Verhalten der Vampire, von denen ich bis dahin dachte, dass ich ihnen wichtig bin, dass ich ihnen viel bedeute, hat mich zutiefst entsetzt. Und dennoch war es ein wunderschöner und unvergessener Abend für mich, wofür die Anwesenheit des lieben AiDo gesorgt hat.

Ich bin froh, dass einige der verwirrenden Geschehnisse dieser Nacht inzwischen als Missverständnisse aufgeklärt sind! Die eine Sache, die noch ausstand, das Verhalten Vicentes Valerie gegenüber, wurde auf der Demanda de la Sangre durch Calliope wieder, wie soll ich es ausdrücken, „gerade gerückt“. Okay, das in dem Rahmen, vor all den anderen, zu tun, war vielleicht etwas geschmacklos, doch verdient hatte er dies allemal.

Calliope und Valerie waren echt erleichtert, als sie erfuhren, dass ich nicht böse auf sie bin. Und ich denke und hoffe, durch mein Verzeihen den beiden gegenüber wurde ein bisschen auch wieder gut gemacht, dass ich das Versprechen, welches ich Sin gegeben hatte, nicht gehalten habe. Sin hat mir auch verziehen, jedenfalls nahm er meine Entschuldigung an und tanzte wieder mit mir.

Aber ich schweife ab, zurück zu der Soirée:
Ich habe mich so sehr gefreut, dass AiDo der Einladung nachgekommen war, und umso größer war meine Freude über das Geschenk, welches er mir (nicht Vicente oder Nekhrun, sondern tatsächlich mir!) mitbrachte. Ich habe an dem Abend wahr gemacht, was ich AiDo bereits im Vorfeld in einem unserer zahlreichen Briefe angeboten hatte. Beide Erlebnisse waren sehr schön, und daher im Nachhinein sehr irritierend für mich. Wie nur konnte ich solche Freude an so etwas empfinden? Was war nur los mit mir? Inzwischen bin ich mir darüber im Klaren, doch an den Tagen nach der Soirée war ich verwirrt und dennoch voll eines mir unverständlichen Glückgefühls.

Und das Verhalten von Juliette und Calliope: Inzwischen weiß ich, dass sie Devon nicht als Spielball benutzen wollten, sondern nur einen Weg suchten, eine ungestörte Atmosphäre zu schaffen. Natürlich wäre es einfacher gewesen, AiDo einfach darum zu bitten, den Raum für eine Weile zu verlassen. So war es jedoch viel höflicher. Und AiDo gegenüber, als Gast des Hauses, nicht beleidigend. Das war also eines der Missverständnisse.

Und Nekhrun, Silja und das „Geheimnis“? Nun, inzwischen sehe ich auch das mit anderen Augen. Immerhin ist Silja doch aus freien Stücken zu uns zu Besuch gekommen, dann musste sie sich im Klaren darüber sein, dass sie sich unter Umständen in Gefahr begibt. Ich hätte aber wirklich gedacht, dass Nekhrun das mit voller Absicht vor ihr kundgetan hat, um sie an sich und das Haus zu binden. Dass es doch ein Versehen war, wunderte mich zunächst, zeigt mir dann, bei weiterem Nachdenken während des Fluges gestern von Berlin nach Duisburg, dass auch ein Vampir, egal wie alt er sein mag, nicht frei davon ist, Fehler zu machen. Dass er das irgendwie wieder korrigieren musste, war nun einmal notwendig, auch wenn das auf Kosten der armen Silja ging.

Aber Vicentes Verhalten Valerie gegenüber war wirklich, auch im Nachhinein, nach den jüngsten Geschehnisse in meinem „wieder gewonnen“ Leben, einfach mies.

Dass Calliope ihn dafür gestraft hat, schockierte mich zunächst, obwohl ich zu dem Zeitpunkt eher völlig gleichgültig war, da alles völlig an mir vorbei lief. Doch es war gut, dass er für das bezahlen musste, was er Valerie angetan hatte. Dennoch, trotz der Tatsache, dass ich innerlich längst mit meinem Leben abgeschlossen hatte, und dass ich irgendwie doch von meinem Gefühl her meinte, dass Vicente es verdient hatte, verspürte ich in dem Moment großes Mitleid und war besorgt um ihn.

Er bedeutet mir doch eine ganze Menge mehr, als ich jetzt, da ich das hier schreibe, eigentlich gedacht habe. Ich frage mich, warum ist das so? Was ist es an ihm, das mich dazu veranlasst? Warum habe ich stets den Wunsch, für ihn da zu sein und ihm zu helfen, wenn er mich braucht, obwohl ich doch längst weiß, dass meine Liebe AiDo gilt? Dieses Geheimnis meiner Gefühle muss ich wohl noch ergründen.

Zurück zur Soirée und deren Folgen. Nach dem Abend in der Villa Asusena war ich einfach nur enttäuscht und verbittert über das Verhalten Nekhruns, Calliopes, Juliettes und Vicentes. Es war mein Wunsch, fort zu gehen und nie wieder zu kommen. Doch wie könnte ich das? Ich käme doch nie fort vom Hofe der Nacht und müsste immer wieder zurückkehren.

Und ich war so voller Selbstzweifel und Schuldgefühlen, dass ich Silja eingeladen hatte, und damit erst die Möglichkeit geschaffen hatte, dass sie in diese missliche Lage gelangte. Verzweiflung und Enttäuschung erfüllten meine Stunden des Wachseins. Ich bin so froh darüber, dass ich in dieser Zeit regen Kontakt zu AiDo hatte, es half mir sehr durch diese Zeit, dass er mir mit Rat zu Seite stand.

Und Vicente? Wie immer gelang es ihm wieder, dass ich seinem Charme verfiel, obwohl ich nach der Soirée fest entschlossen war, nicht mehr auf ihn reinzufallen und Abstand zu ihm zu gewinnen.

Deswegen, weil ich trotz, dass ich es nicht wollte, bewusst nicht wollte, wieder dem Charme von Vicente verfiel, des Weiteren weil ich einfach völlig verwirrt war, über die Bedeutung und den Sinn meiner Gefühle für AiDo und weil ich so enttäuscht und frustriert über das Verhalten von Nekhrun, Calliope und Juliette war, wusste ich in den Tagen, die ich noch in Berlin verbrachte, nicht wohin mit mir. Ich konnte kaum essen, konnte kaum schlafen und konnte mich auf nichts konzentrieren, Immer wieder kreisten meine Gedanken um AiDo und um die Geschehnisse der Soirée. Den einzigen Trost boten mir die E-Mails von AiDo und der Anblick seines Geschenkes. Wenn AiDo mich in diesen Tagen darum gebeten hätte, dass ich zu ihm komme und seine Erwählte werden soll, wäre ich wohl sofort gegangen. Oder vielleicht auch nicht? Denn es gab noch die Angst, ob ich das überhaupt überlebt hätte oder welche Konsequenzen das für mich haben würde. Schließlich hatte ich auf der Soirée ja gesehen, was Nekhrun mit Silja gemacht hatte, und vermutlich kenne ich noch mehr Geheimnisse des Hauses, die ich dann mit mir nehmen würde. Außerdem würde er mir nie das geben, was Vicente zu geben bereit ist, wenn ich meine Prüfungen bestehe.

Doch, hätte, könnte, wennste, AiDo hat mich ohnehin nicht darum gebeten, daher erscheint mir dieser Gedankengang doch eher obsolet. Obwohl? Was wird in der Zukunft sein? AiDo ist nun bei uns, und wer kann schon sagen, wie sich die Dinge diesbezüglich entwickeln werden? Ich kann mir keine Vorstellung davon machen und lasse das einfach alles auf mich zu kommen. Doch gespannt bin ich schon, was wird...

Zurück zu der Woche nach der Soirée in der Villa:
Kurz entschlossen packte ich meine Klamotten eine Woche nach der Soirée und flog Devon hinterher nach Norwegen. Dort blieb ich vier Wochen, in denen ich sehr viel spazieren ging, mich der Kalligraphie widmete oder einfach nur dasaß und Devon bei der Arbeit zusah.
Diese Zeit für mich, diesen großen Abstand zu allem und jedem, was mein Leben seit Februar so sehr verändert hat, hatte ich bitternötig um mir über meine Gefühle klar zu werden. Das wurde ich. Zumindest, was AiDo angeht. Ich wusste nun, dass ich ihn tatsächlich liebe. Das erste Mal in meinem Leben, dass ich so etwas Tiefes und Inniges für eine Person empfinde.

Was Haus Nekhrun und Vicente anging? Da hatte ich nach wie vor keine Lösung gefunden, als ich nach Berlin zurückkehrte. Und nach wie vor war ich zerfressen von meinen Schuldgefühlen und Vorwürfen, ich hätte das Leid von Silja verhindern können.
Dennoch, ich kehrte rechtzeitig nach Berlin zurück, damit ich Vicente zu der Demanda de la Sangre begleiten konnte.

Und dann passierte in der ersten Nacht, die ich wieder in der Villa war, das Schreckliche! Ich hätte es vielleicht tatsächlich verhindern können, und vielleicht trifft mich tatsächlich wirklich etwas Schuld, doch inzwischen weiß ich, dass es viel mehr Vicentes Schuld als meine war, und es eben passieren musste, weil es der Lauf der Dinge ist.

Doch in dieser Nacht brach eine Welt zusammen, eine überwältigende Woge von Schuld und Schmerz überkam mich. Immer wieder sah ich das Bild vor meinen Augen, wie sie da lag, eine Fremde zwar, dennoch, vor meinen Augen grausam zu Tode gekommen, mit grausam und grotesker Körperhaltung daliegend. Tot. Für immer. Und ich hätte es verhindern können!

Ich schlief nicht, machte die ganze Nacht kein Auge zu, mir war übel und ich krümmte mich vor Schmerzen aus Kummer. In dieser Nacht starb ich Stück für Stück. Als ich mich aus dem Bett quälte, war mir klar, dass mein Leben beendet war. Ich dachte, dass ich mit dem, was passiert war, nicht existieren konnte. Egal, ob als Mensch oder als Vampir. Und mir wurde klar, dass ich nie damit existieren können würde, den Tod eines Menschen zu verschulden. Mir wurde klar, wie absurd und abartig, wie widerlich mein Wunsch war, ein Vampir sein zu wollen. An dem Tag, bevor wir zusammen nach Haus Morgenröte fuhren, kaufte ich mir die Waffe, mit der ich, sobald ich keine Verantwortung mehr tragen würde, und das letzte noch wichtige in meinem Leben erledigt hatte, mein Leben beenden wollte.

Bevor ich endlich dieses Jammertal des Schmerzes, welches sich Leben nennt, verlassen durfte, musste ich dieses Eine erledigen, was mir sehr wichtig war, trotz, dass er nach meinem Tod kaum noch Bedeutung für mich haben konnte. Ein letztes Mal noch wollte ich AiDo sehen, und ihm meine Liebe gestehen. Also begleitete ich Vicente und Devon nach Duisburg, und dann das gesamte Haus Nekhrun nach Ratingen. Meine Waffe immer dabei, immer darauf bedacht, genau zu wissen, wo sie sich gerade befindet, damit keiner auf die dumme Idee kommen könnte, sie mir wegzunehmen.

Dann begann der schicksalhafte Abend in Sins neuer Tanzschule. Calliope wies mich direkt darauf hin, wie enttäuscht alle seien, dass ich nicht, wie versprochen, Sin bei der Inneneinrichtung und Dekoration geholfen hatte. Natürlich nicht, ich musste ja diese für mich ach so wichtige Selbstfindungsreise nach Norwegen machen. Und immer wieder wurde ich von jedem daran erinnert, wie schlecht das doch von mir war, dieses Versprechen nicht zu halten. Und, egal wo ich hinsah, egal wo ich stand und mit wem ich redete, immer sah ich den Raum. Den nicht geschmückten und dekorierten Raum. Meine Schuld wurde mir permanent vor Augen geführt.

Wenn es bis dahin noch Zweifel an meinem Entschluss, meinem Leben ein Ende zu setzen, gab, jetzt waren sie dahin.

Und dann das Gespräch mit AiDo: Ich gestand ihm meine Liebe, doch leider kann er dieses tiefe Gefühl nicht erwidern. Das tat mir sehr weh, obwohl es doch inzwischen irrelevant war, da ich ohnehin nur noch wenige Minuten von meinem geplanten Ableben entfernt war. Ich konnte AiDo jedoch einfach nichts davon sagen, denn ich fürchtete, er würde mich davon abhalten, oder diesen Plan Nekhrun oder Vicente verraten, damit sie mich davon abhalten.

Immer tiefer versank ich in dieser Nacht in Schmerz und Schuld, bis ich es schließlich nicht mehr aushielt noch länger zu warten, meine Waffe aus der Tasche nahm, um mich endlich selbst zu töten.

Doch dann kam das, was mein Leben für immer veränderte: Nekhrun gelang es gerade rechtzeitig, meine Hand, die die Waffe hielt zu ergreifen, und mir klar zu machen, was ich bisher erreicht, gesehen und erlebt hatte, wie weit ich bereits gekommen war, was ich alles verlieren würde, wenn ich jetzt für immer ging. Doch das war nicht das eigentlich Entscheidende. Nein, das eigentlich Entscheidende war, die Tür, die er mir zeigte. Der Weg, den er mir zu zeigen vermochte. Er zeigte mir, wie ich den bisher für mich unüberwindbaren Berg doch überwinden kann. Und letztendlich war es doch alleine meine Entscheidung, als ich beschloss, meinem Leben doch kein Ende zu setzen. Nekhrun hatte mir den Weg gezeigt, gehen musste und muss ich ihn nun selbst.

Eine extreme Wandlung spielte sich in mir ab. Eine große Last wurde von mir genommen, als ich begann, den Weg zu beschreiten, der mir bisher immer verborgen geblieben war. Anscheinend musste ich dort, ganz unten, ankommen, um überhaupt diese Chance bekommen zu können. Und die hätte ich nicht bekommen, wäre nicht Nekhrun da gewesen, um sie mir im richtigen Moment zu zeigen.
Wie nur kann ich ihm das danken? Ich verdanke ihm mein Leben, meine schiere Existenz, bis zum Ende aller Zeiten. Ohne sein Handeln wäre ich nie dazu in der Lage gewesen, durch die Tür zu schreiten, die sich mir durch ihn offenbarte.

Und ich spüre eine Kraft in mir, die ich bisher nie gekannt habe. Der Mut und der Wille, mich meinem Leben und all den Problemen zu stellen.
Keine Verzweiflung mehr, keine Schuld. Nie mehr.

Der weitere Verlauf des Abends erwies sich als schicksalhaft für zwei Menschen, die den Tod fanden. Sie hatten ihn sich nicht gewünscht, so wie ich, sondern kamen gewaltsam zu Tode.

Am Ende der Nacht, kurz bevor wir uns alle wieder voneinander verabschieden mussten, ereigneten sich die schrecklichen Ereignisse.

Bei dem Tod des einen Menschen, einem großen, blonden Mann, ergab es der Zufall, dass ich zusehen musste, wie er verblutete. Offensichtlich (das erfuhr ich in dem Gespräch) hatte Vivien ihn gebissen, wollte ihn aber nicht sterben lassen und hatte ihm daher nicht sein gesamtes Blut genommen. Sie war wohl nicht in der Lage, die Wunde zu verschließen oder hatte dies versäumt, und so verblutete der arme Mensch vor unseren Augen. AiDo, Luzia und Angelina versuchten ihn zu retten, doch das gelang ihnen nicht. Ich könnte schwören, ich hätte gesehen, dass AiDo ihm von seinem Blut gegeben hätte, um ihn zu einem Vampir zu machen. Dennoch starb er. Und außerdem hatte AiDo mir doch geschrieben, dass er dies nie tun würde? Haben meine Sinne mich getäuscht? Ich muss ihn unbedingt bei Gelegenheit dazu befragen. Der zweite tote Mensch war anscheinend eine Erwählte des Hauses Magnus, die von Asphyx getötet wurde. Nekhrun war sehr erbost über diese beiden Geschehnisse, da sie nach seiner Moralvorstellung gegen die Gesetze am Hofe der Nacht verstoßen. Diese Meinung teilten bei Weitem nicht alle der anwesenden Vampire. Eine der Folgen ist die, dass er, sehr zu meiner stillen Freude, AiDo zwang, mir uns nach Haus Morgenröte zu kommen.

Es passiert noch ein weiteres schreckliches Ereignis. Sin wurde das Augenlicht genommen! Offensichtlich hatte er einen Deal mit dem Ordo Proxima (den kannte ich bisher nicht, anscheinend sind das Leute, die Wünsche für einen bestimmten Preis erfüllen) gemacht, in dem er sich wünschte, die Gäste mögen die Kunst der Musik und des Tanzes zu genießen wissen. Der Preis war sein Augenlicht. War es das wert? Diesen hohen Preis zu zahlen, dafür, dass die fragwürdige Gesellschaft des Hofes der Nacht Musik und Tanz zumindest an eine Nacht lang zu schätzen weiß?

Und dann, die „Nachwehen“ dieser Nacht, die diese Wut in mir weckten. Vicente hatte die glorreiche Idee, ausgerechnet Abdiel, diese abscheuliche Person, zu uns in die Villa Asusena einzuladen, damit sie bei uns wohnen kann. Wie kann er das nur tun? Ausgerechnet Abdiel! Die war doch schon als Mensch alles andere als vertrauenswürdig! Da hätte er ja auch gleich Asphyx mit einladen können, der ist doch um keinen Deut sympathischer und ungefährlicher als Abdiel! Ich habe meine wichtigsten Sachen aus meinem Zimmer geholt und habe sie in ein Hotel gebracht, ehe ich ins Haus Morgenröte zurückkehrte. Hier kann ich jedoch nur noch zwei Wochen bleiben, ehe ich zurück nach Berlin muss, um mich endlich wieder um meine Geschäfte zu kümmern. Daher habe ich in meiner Wut Vicente das Ultimatum gestellt, dass ich komplett ausziehe, wenn dieses Scheusal in zwei Wochen noch immer in der Villa wohnt.

Wie könnte ich auch mit ihr unter einem Dach wohnen? Wer sollte mich davon abhalten, dass sie mich tötet, wenn Vicente gerade mal nicht da ist? Wenn er nicht darauf eingeht, werde ich mir wohl eine Wohnung in Berlin suchen müssen und wieder alleine leben. Ein trauriger Gedanke. Aber immerhin kann ich ja jedes Wochenende auf Haus Morgenröte verbringen, wenn die Arbeit es zulässt.
Vielleicht überlegt es sich Vicente ja doch noch anders?

Bis die zwei Wochen rum sind kann ich jedenfalls noch hier bleiben und mich um AiDo kümmern. Ich hoffe, es wird ihm gut bei uns ergehen und Nekhrun setzt ihm nicht zu sehr zu. Ich werde alles in meiner Macht stehende tun, um ihm den Aufenthalt bei uns so angenehm wie möglich zu machen. Meine Liebe zu ihm ist viel zu groß, als dass ich mit ansehen kann, wie er leidet.

Valerie hat mir auf der Demanda erzählt, dass AiDo ihr seine Liebe gestanden hat. Offensichtlich haben wir uns da in einer Dreiecksbeziehung verrannt, denn Valerie ist sich bisher nicht so sicher, wie sie zu AiDo steht. Eigentlich sah sie ihn bisher immer nur als guten Freund. Es versetzt mir einen Stich im Herzen, zu wissen, dass AiDo Valerie liebt, doch ich wünsche ihm, dass sie doch noch seine Liebe erwidert, denn ich wünsche mir, dass es ihm gut geht und er glücklich werden kann. Und wenn er Valerie liebt, gehört es wohl zum Glücklichsein für ihn dazu, dass sie seine Liebe erwidert.

Ist das Selbstaufgabe von mir? Oder ein dummer Anflug von Masochismus? Ich weiß es nicht, ich weiß nur, dass ich mir wünsche, dass AiDo glücklich ist. Und Valerie ist eine so liebe Person, auch ihr kann ich nichts anderes wünschen als dass sie glücklich ist. Wie ich hat sie schon so viel durchgemacht, sie hat es einfach verdient, glücklich zu werden.

Und vielleicht ist es einfach eine Prüfung meines Lebens, meine erste wahre Liebe zu überwinden und dennoch weiter zu gehen? Kann man ein so starkes Gefühl überwinden? Ich habe noch nie so gefühlt...

Warum fühle ich so für einen Vampir???


Hathor


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