Chroniken » Chroniken III. - Die Zeit des Rades: Berichte und Erlebnisse vom Hof der Nacht im Jahre 2006
2006.02.25 - IV. Akt: Camillas Brief
19.03.2006 - 20:51

Louis, mein Herz!

Was soll ich sagen, wieder einmal hat Gabriel heute keine Zeit für mich, wie könnte es auch anders sein?
Ich bin einmal mehr maßlos enttäuscht, aber ich kann es nicht ändern.

Liebster, ich fühle mich hier so einsam und verlassen, ich weine jeden Abend, den ich hier an diesem schrecklichen Ort verbringen muss.

Verzeih, ich will nicht weiter klagen, denn ich habe nun einmal DIESE Entscheidung getroffen und nach dieser muss ich jetzt wohl leben.

Eigentlich will ich Dir von dem letzten Fest, dem „Bacchanal“, welches vom Hause Lucius vor einigen Wochen ausgerichtet wurde, berichten.

Um ehrlich zu sein, gibt es nicht viel zu sagen, ausser dass dieser Abend, bis auf einige wenige, für mich persönlich erfreuliche Momente, schier unmöglich gestaltet war, so dass ich das „Fest“, welches Bacchus zu Ehren stattfand, vorzeitig verließ.

Gabriel sollte mich dieses eine Mal nicht begleiten, ich hatte schon, als ich die Einladung zu dieser Festivität erhielt, ein ungutes Gefühl und ich sollte mich nicht täuschen, daher war ich mehr als froh, dass Gabriel nicht zugegen, sondern in Sicherheit war.

Weshalb in Sicherheit, wirst Du im Verlaufe meiner Zeilen noch erfahren...

Zunächst durfte ich zu meiner großen Freude Monsieur Yussuf wiedersehen, dessen sanftmütiges Wesen mich schon auf dem Fest des Hauses Khaan im letzten November faszinierte.

Ich hoffte, dass er genauso unschuldig war, wie Gabriel es ist, so dass er mir vielleicht in Zukunft Gesellschaft leisten könne, wenn Gabriel keine Zeit hat.
Jedoch kam alles anders, als ich dachte...

Gerade, als dieses „Bacchanal“ genannte Fest eben so richtig begonnen hatte, verkündete das Schicksal in Form von Mercurius und drei weiteren Gestalten, die ich nicht beim Namen kannte, dass dieses Fest zwar Bacchus, dem Gott des Weines gebührte, jedoch sollte dieses Mal kein Wein, sondern Blut fließen, es sollte ein Opfer unter den Sterblichen geben!

Ich frage Dich: Zum einen, wie dumm muss man sein, um aller Öffentlichkeit ostentativ zu demonstrieren, WER wir sind, es verstößt ganz simpel gegen UNSERE Regeln und zum zweiten, wie geschmacklos ist diese „Geste“ ?!

Monsieur Yussuf sah mich mit ernster Mine an und fragte mich, was das ganze solle und wohin ich ihn hier nur gebracht hätte?
Ich blickte ihn hilflos an und antwortete ihm, dass ich ebenfalls keinerlei Ahnung hätte, was hier gerade geschähe, ich wusste nicht, was zu tun war, ich wusste nur, dass ich ihn beschützen würde, ihn und vielleicht noch jemand anderen...

Der ganze Raum war erfüllt von einer drückenden, angsterfüllten Stimmung, während die Schicksalsfiguren ihre harten Worte sprachen.
Ich war mir nicht sicher, ob ich ihren Worten Glauben schenken oder das ganze einfach bloß lächerlich finden sollte.

WER genau waren sie denn schon?

De facto sind sie genau wie WIR, sie trinken Blut und gehören einem gemeinsamen Orden an.
Konnte es nicht sein, dass sie nichts weiter waren, als Übermütige der UNSRIGEN, die sich hier einen derben Spaß erlaubten in ihren bunten Verkleidungen?

Als ihre „Ansprache“ zuende war, setzte ich mich mit Monsieur Yussuf an einen der Tische und er begann, mich regelrecht zu befragen: „WER seid ihr, Camilla?! Woher wusstet ihr, wo ich in der Zwischenzeit zu finden war?“
Selbstverständlich war ich um die Antwort verlegen, jedoch ließ Monsieur Yussuf nicht locker, nein, im Gegenteil er bohrte weiter, bis ich schließlich nachgab...

„Ich... nun ich bin Euch nachgegangen, verzeiht!“ „Bis nach Damaskus?!“ „Nun ja, ich ... ja!“ Ich hatte ihn tatsächlich beobachten und in Damaskus ausfindig machen lassen von einem privaten Investigator, den ich, nun, nicht bloß mit Geld entlohnte, der aber im Gegenzug dafür bereit war, anstelle meiner nach Damaskus zu reisen, damit ich Monsieur Yussuf einen Brief schicken konnte.

„Wer, zum Teufel, seid ihr wirklich, Camilla Dubrac?! Ihr seid keinesfalls so jung wie ihr ausseht, vielmehr macht ihr den Eindruck, als seid ihr um einiges älter! Ihr kennt euch nicht aus in der heutigen Welt, ihr stellt seltsame Fragen...Also, WER SEID IHR und wie ist eure Geschichte?“

Ich begann, ihm meine Geschichte zu erzählen, jedoch auf MEINE Weise, ich wagte nicht zu sprechen, ich konnte mir niemals sicher sein, wer alles ungefragt zuhören würde. Angefangen von meiner Herkunft, meinem Leben auf Pointe du Lac, von Mister Delaware, von Lestat und seinem Verbrechen an mir bis hin zu dem Mord an Mister Delaware, meinem jahrzehnte langem Schlaf und meiner Auferstehung vor ein paar Jahren, gab ich ihm die wichtigsten Ereignisse weiter...

Ich bemerkte, wie er zwischendurch immer wieder eine kleine, metallene Dose hervorholte, öffnete und ihr kleine, weisse Pillen entnahm, die er daraufhin schluckte.

Es sei Medizin, die er unbedingt benötigte, erklärte er, aber ich war skeptisch und daraufhin wagte ich die Probe aufs Exempel und nahm von ihm – er hatte vergiftetes Blut, es war eines jener Gifte, wie ich sie oft von den jungen Menschen ohne Hoffnung nahm, die ich nachts am hiesigen Bahnhof oder in verlassenen Untergrundbahntunneln vorfand.

Gleichzeitig bemerkte ich, dass er an einer Stelle seines Rückens ein offene Wunde besitzen musste, ich konnte den intensiven Duft seines Blutes für einen Moment wahrnehmen.

Kurz darauf wurden wir jäh unterbrochen, es war Madame Owlivia, die mich bat, an einem spontanen Schauspiel für die Gäste teilzunehmen, in welchem ich bloß darstellen und nicht zu sprechen brauchte, was mich beruhigte.
Du weißt, mein Liebster, dass ich nicht gerne im Vordergrund stehe, zumal ich schon desöfteren bemerkt hatte, dass sich einige Mitglieder anderer Häuser über mich lustig machten.

An diesem Abend stand die Frage im Raum, ob ich nun ein bunter Schmetterling oder bloß ein ordinärer Farbklecks, ob die Farbe meines türkisfarbenen Kleides nun mehr blau oder eher grün sei.

Um jedoch der Wahrheit die Ehre zu geben, habe ich mit den anderen nicht viel zu schaffen, selbst mit den Mitgliedern UNSERES Hauses nicht, und ihre Meinung über mich geht mich herzlich wenig an.
Dennoch konnte ich Madame Owlivias Bitte kaum ausschlagen, also nahm ich unter anderem neben Monsieur Selwyn, Monsieur Tschesar und Monsieur von Oppenheim an dem Schauspiel teil.

Dieses stellte sich als sehr lang und zäh heraus, obendrein verstand ich weder Sinn noch Zweck des Ganzen, zumal Monsieur McCallum urplötzlich hinter mir stand, als ich pausierte, um mir zu zu flüstern, dass dies doch eine Nacht der Leidenschaft und ihm plötzlich sehr heiss geworden sei. Da ich versuchte, mich mühevoll auf meinen nächsten Einsatz im Schauspiel zu konzentrieren, empfahl ich ihm kurz ab, sich doch seines Jacketts zu entledigen, was er dann auch tat.
Ich wagte nicht, seine Gefühle zu lesen, ich wusste ohnehin, was ich dort finden würde...

Als das Schauspiel zuende war, erzählte Monsieur Yussuf mir dann seine Geschichte – Geschichte gegen Geschichte, wie er sagte, und sie war in der Tat mehr als grausam!

Als erstes musste er mir die Illusion seiner Unschuld nehmen ... ich wusste nicht, was ich sagen sollte, ich war nicht enttäuscht, nein, das nicht, ich hatte es bloß nicht erwartet, nicht von diesem Mann, der mich aus seinen sanften, braunen Augen so angsterfüllt ansah, und der die schönsten Geschichten erzählen konnte, wie er auf dem Fest des Hauses Khaan mehrfach bewies.

Monsieur Jonathan von Oppenheim, der sich nun aus mir unbekannten Gründen „Asphyx“ nennt, hatte Monsieur Yussuf in seiner Heimat Damaskus aufgelesen, vermutlich, um ihn für sich zu gewinnen, was mir im Nachhinein natürlich die bösen Blicke, die Monsieur von Oppenheim mir den ganzen Abend über zuwarf, erklärte.
Ob seiner Schuld, die er auf sich geladen hatte, sagte Monsieur Yussuf, müsse er immerzu Tabletten nehmen, damit er, je nach dem, schlafen, vergessen oder aber wach sein könne.

Ich hatte Mitleid mit ihm.

Ganz plötzlich stand er auf und sprach mit erregtem, ja, gar wütendem Unterton: „Ich wünschte, ich könnte ein Jahrhundert schlafen, genau wie Ihr, Camilla!“ Dann lief er weg und ließ mich am Tisch zurück.

Traurig sah ich ihm nach, ich wusste nicht, was ich falsch gemacht hatte.
Gedankenverloren starrte ich auf das Glas Wein vor mir und überlegte, nach Hause zu gehen, als Monsieur Ansgar van Maris neben mir platz nahm.

Ich war angenehm überrascht, ihn zu sehen, war er doch auf dem Fest des Hauses Khaan so sehr in Trauer um seine verlorene Liebe Madame Cyril.

Damals versuchte ich, ihn zu trösten, so gut ich konnte und jetzt tröstete er mich, indem er mich um ein Lächeln für ihn bat.

Natürlich kamen wir auf dieses unsägliche „Opferritual“ zu sprechen und selbstverständlich hatte auch er Angst als Sterblicher, aber ich spürte ganz deutlich, dass er es NICHT war, der unnütz verschwendet werden sollte.

Nun wusste ich, WER derjenige war, den ich ausser Monsieur Yussuf noch beschützen musste!

“Habt keine Angst, Monsieur Ansgar, ihr seid es nicht!“ sprach ich zu ihm und er ging mit einem beruhigtem Geist.
Da ich nun beschlossen hatte, ihn zu beschützen, musste ich der Feier wohl oder übel weiterhin beiwohnen, es blieb mir nichts anderes übrig.

Kurz darauf kehrte Monsieur Yussuf an den Tisch zurück und entschuldigte sich für sein schlechtes Benehmen.

„Eure Wunde schmerzt euch, nicht wahr?“ fragte ich ihn und sah ihn ernst an.

„Ich... ja, woher wisst ihr davon?“ „Nun, ich besitze Fähigkeiten, wisst ihr... Ich könnte veranlassen, dass es euch zumindest besser geht und eure Wunde schneller heilt, wenn ihr es wollt!“

Ungläubig sah Monsieur Yussuf mich an : „DAS könntet ihr? Jetzt sofort ?! “

„Ja, wenn ihr das möchtet, jetzt sofort.“

Zusammen verließen wir den Festsaal und schlichen in einen der ungenutzten Räume des Schlosses, in dem das Bacchanal stattfand.

Monsieur Yussuf legte sein Hemd ab und ich sah diese scheussliche Wunde an seinem Rücken, er muss wirklich gelitten haben.

Kurzfristig gingen mir Gedanken meiner Vergangenheit durch den Kopf, ich musste an Mister Delaware und seine Untaten denken, doch dies war jetzt nicht der rechte Zeitpunkt, um in Erinnerungen zu „schwelgen“, ich hatte mich auf Monsieur Yussuf zu konzentrieren.

Mit meinen Fangzähnen öffnete ich die Pulsadern meines Handgelenks und gab ihm von mir.
Als er genug von meinem starken Blut genommen hatte, war ihm für ein paar Augenblicke etwas unwohl, dann jedoch atmete er erleichtert auf und fühlte sich merklich besser und stärker.

„Wie habt Ihr das gemacht?“ fragte er. Es fiel mir keine bessere Antwort ein, als zu sagen, dass ich einfach dazu in der Lage sei...

Wir gingen nun wieder unbemerkt zurück in den Festsaal, als ich fühlte, dass mir allmählich schwindelig wurde, da ich an diesem Abend sehr viel Kraft verloren hatte, zum einen durch das „Erzählen“ meiner Geschichte und nun durch die Stärkung von Monsieur Yussuf mit meinem Blut.

Ich musste nun schnellstens neue Kraft schöpfen, sprich trinken, bloß würde das Blut eines Sterblichen dazu nicht ausreichen, nein, ich würde stärkeres Blut brauchen und just beim Betreten des Festsaales sah ich auch schon den bestmöglichen Spender.

Ich hatte mich spontan für Monsieur Vicente aus dem Hause Asusena entschieden, schon allein deshalb, weil er mich in seinem ganzen Gehabe, ja sogar mit seinem allzu hübschen Äusseren so sehr an Lestat erinnerte, dass ich gerade deshalb ihn wollte, weiss der Teufel, weshalb.

Er stand lässig an der Wand gelehnt und unterhielt sich mit einer jungen Dame, ich glaube sie gehört zu den Mitgliedern des Hauses Lucius, die offensichtlich sehr stolz auf ihre „Eroberung“ war.

Ich entschuldigte mich kurz bei Monsieur Yussuf und bat ihn, schon wieder am Tisch platz zu nehmen, ich würde ihm gleich folgen.

Er sollte nicht sehen, was ich nun im Begriff war, zu tun.

Dann warf ich Monsieur Vicente einen Blick zu, dem er sich unmöglich entziehen konnte. Obschon das Mädchen neben ihm noch munter weiterplapperte, war Monsieur Vicente mit seinen Gedanken schon nicht mehr bei ihm und so fragte ich ihn ganz offen und dreist, ob ich sein „Angebot“, welches er mir auf dem Fest der Khaaner offerierte, nun annehmen dürfe...

Du musst wissen, mein Herz, dass er mir schon damals auffiel und ich sofort an Lestat dachte, als ich ihn sah. Wir hatten eine nette, kleine Zwiesprache, die damit endete, dass ich ihm schon beinahe wütend sagte, dass ich nicht so leicht zu haben sei, worauf er äusserst süffisant antwortete, dass er nicht mich, sondern ich ihn haben würde.

„Selbstverständlich gilt das Angebot noch, Madame!“ sprach er und küsste galant meine Hand. „Wenn ihr mir dann folgen wollt, Monsieur...?“

Das Mädchen war fürerst vergessen, und wir suchten uns einen dunklen Winkel im Schloss, in dem ich mir das nehmen konnte, was ich so dringend benötigte.

Ich machte kein großes Aufhebens, ich war so hungrig, dass ich ihm mehr oder minder direkt meine Fangzähne in seinen wunderschönen Schwanenhals schlug und gierig von ihm nahm. Während ich trank und mich verlor, spürte ich, wie er mich fest an sich zog, um dann seine Zähne in meinen Nacken zu senken und so von mir zu nehmen.

Ich war nicht in der Lage, mich zu wehren, vielleicht wollte ich es auch gar nicht, obwohl ich wieder an Kraft verlor, aber es scherte mich nicht in diesem Augenblick, es scherte mich gar nichts mehr, nicht, dass wir vielleicht schamlos handelten und auch nicht das kräftige Mädchen mit den schönen langen, blonden Haaren, Monsieur von Oppenheims Begleitung, das uns neugierig beobachtete.

Um ehrlich zu sein, genoss ich diesen Moment, DAS war Leidenschaft und dem war nichts hinzu zu fügen!

Als ich meinen Durst an Monsieur Vicente gestillt hatte und wir voneinander abließen, sahen wir uns an und unsere Lippen berührten sich für den Bruchteil einer Sekunde... so weich ... wie Gabriel...

Gabriel, zum Glück war er nicht hier.

Ich fürchte, er hätte diese „Szene“ komplett missverstanden.

Als ich wieder einen klaren Gedanken fassen konnte, kehrten wir zurück in den Festsaal und ich ging, noch etwas trunken von dem Erlebten, direkt an den Tisch, an dem Monsieur Yussuf schon wieder platz genommen hatte.

Ich nahm die Unterhaltung mit ihm wieder auf, und er erzählte, dass er ein guter Lehrer in jedweden Dingen sei, vielleicht kann er mir ja helfen, diese Welt und dieses Jahrhundert zu verstehen, wann immer Gabriel seinem eigenen Leben und seiner Arbeit nachgeht.

Und vielleicht kann er mich ja auch lehren, eines dieser gepanzerten Tiere zu führen, Du weißt doch, dass Gabriel es mir immer wieder verbietet und es selbst nicht tun will.

Noch während Monsieur Yussuf und ich im Gespräch waren, besaß jemand die Dreistigkeit, ihm vor meinen Augen eine Einladung von Madame Calliope aus dem Hause Nekhrun zu überreichen.

Ich konnte ihn bloß warnen, eine solche zwielichtige Einladung anzunehmen, das Ergebnis sähe man ja auf dem heutigen Fest, wo die Erwählten der Häuser vor Angst schlotterten.

Innerlich kochte ich vor Wut über diese Frechheit.

Kurz darauf setzte sich Tatjana, meine Tochter, meine SCHULD zu uns an den Tisch.

Ich stelle sie Monsieur Yussuf vor und erzählte ihm, weshalb ich Tatjana zu einer von UNS machen musste, worauf Tatjana mich in provokanter Weise fragte, ob es mir lieber gewesen wäre, wenn sie gestorben wäre.

Daraufhin stritten wir heftig und ich schrie sie an, dass sie nicht die mindeste Ahnung davon hätte, was Leid und Schuld bedeuteten.

Beleidigt rannte sie fort und ich schämte mich ob meiner Unbeherrschtheit vor Monsieur Yussuf.

Der Abend lief dann endlich auf seinen zweifelhaften „Höhepunkt“ zu: Das „Opfer“ sollte „auserwählt“ werden, unter ihnen befanden sich auch Monsieur Argus, Monsieur McCallum, Monsieur Lorenzo und seine Begleitung Madame Vivienne.

Monsieur Yussuf sah mich angstvoll und fragend an.

Ich konnte keinerlei Mitleid mit den „Betroffenen“ empfinden, jetzt nicht mehr.

Bei einigen von ihnen hatte ich nichts unversucht gelassen, um sie in mein Haus zu holen und vor den UNSRIGEN zu beschützen, vor jenen, die sie als billige Diener oder Marionetten am Hofe der Nacht missbrauchen würden, jedoch waren all meine Bemühungen vergebens gewesen.

Ich hoffte inständig, dass Monsieur Yussuf ob Calliopes Einladung klüger und umsichtiger war.

„All die Narren, denen ich meinen Schutz anbot und die mein Angebot ausschlugen, weil ich ihnen ausser Schutz und ein eigenständiges, freies Leben nichts bieten konnte!“ erklärte ich ihm, „Sie wissen die Freiheit nicht zu schätzen... Ich kann nichts mehr für sie tun!“

Ich stand auf und verabschiedete mich von Monsieur Yussuf, in der stillen Hoffnung, ihn wiedersehen zu dürfen.
Gleichzeitig war ich mir nicht mehr sicher, ob es eine so gute Idee gewesen war, ihm von meiner Herkunft zu erzählen, ich bat inständig für mich, dass er Stillschweigendarüber bewahrte. Du weißt, mein Liebster, dass ich fürchte, dass jemand davon erfährt und Schindluder mit seinem Wissen betreibt, aber einmal gesprochene Worte, und seien es auch bloß Gedanken, kann man nicht mehr zurückholen...

Dann verliess ich den Festsaal, ich war mir sicher, dass Monsieur Yussuf und Monsieur Ansgar in Sicherheit waren, es würde irgendjemanden treffen, aber das war für mich nicht mehr von Belang.

Ich wollte diesem ekelhaften und unwürdigen Schauspiel nicht beiwohnen, um nichts in der Welt!

Ich ließ mir von einem Bediensteten des Schlosses eines dieser cremefarbenen Miettiere bestellen und mich nach Hause bringen.

Wie immer war mein Bett kalt und leer und ich war mir nicht sicher, wie lange ich dies noch ertragen konnte.
Ich zog meinen „Farbklecks“ aus und liess ihn achtlos zu Boden fallen, dann kroch ich unter die Decken meines Bettes und träumte von heissem Blut, samtig weichen Lippen und unschuldigen, braunen Augen...


Camilla


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