Chroniken » Chroniken II. - Die Zeit des Wandels: Berichte und Erlebnisse vom Hof der Nacht im Jahre 2005
2005.11.26 - Tsagaan Tsar: Ein Brief an Tsu
15.12.2005 - 13:33

Mein lieber Tsu,

Du weißt dass ich Dich wohl nie AiDo nennen werde. Sei mir deswegen nicht böse, es ist ein schöner Name mit einer sehr schönen Bedeutung doch erinnert er mich doch zu sehr an diesen einen Abend und an diese Frau.

Ich kann verstehen dass Du erstmal alleine sein willst, um zu Dir selbst zu finden, mir ging es damals nicht anders. Trotzdem möchte ich Dir vom Neujahrsfest des Hauses Khaan berichten, das Tsagaan Tsar, damit Du Dir keine Sorgen machen brauchst. Ich habe Deine Augen genau gesehen, als Du weg gegangen bist… Du quälst Dich selbst…

Wie Du Dir vielleicht denken kannst, hatte ich einige Unterredungen mit Lothringus vor dem Fest. Ich zweifelte sehr, ob sich mein Gemütszustand nicht negativ auf beide Häuser auswirken würde. Doch er war ein exzellenter Begleiter und hat mich keine Minute aus den Augen gelassen, so das unsere Befürchtungen unbegründet zu sein schienen. Auch die Übungen die Du mir gezeigt hast, haben mir ein wenig geholfen - nur nicht bei einer bestimmten Person. Jedes mal wenn sie den Raum betrat, schnürte sich meine Kehle zu und ihr stures, hochmütiges Lächeln schien mir unerträglich.

Hatte sie noch beim letzten Fest Reue und bittere Tränen gezeigt, so war ihr das diesmal in keinster Weise anzusehen. Sie schien meine Nähe zu suchen, doch musste ich mich ihr fernhalten. Ich hoffe, dass sich das irgendwann wieder legt, doch ich befürchte es wird immer schlimmer mit mir. Seit dem letzten Treffen ist noch nicht viel Zeit vergangen, trotzdem spüre ich wie sich alles in mir verändert.

Es wurde viel geredet an diesem Abend und jede kleine Spitze bohrte sich mir direkt in die Seele und löste dort eine schwellende Hitze aus. Ich versuchte deswegen oft einfach nicht hinzuhören und alles zu ignorieren, aber nur soweit das es nicht unhöflich meinen Begleiter gegenüber war. Doch auch Lothringus merkte, das ich abwesend war. So sprach er mich einmal an, ob ich mich langweilen würde. Gerade in diesem Moment war es sehr ungünstig, denn wir hatten eine kleinere Unterredung mit Haus Fox die es sich mit einem indischen Gast auf einer der vielen bequemen Sitzmöglichkeiten gemütlich gemacht hatten. Du weißt, dass wir das Haus Fox sehr schätzen, auch wenn wir noch nicht allzu viel mit ihnen zu tun hatten.

Sie schienen uns, besonders nach einem sehr interessanten Angebot von Lothringus, wohlgesinnt. Überhaupt gab es sehr wenige die uns offen ihre Abneigung zeigten. Ich war überrascht, wie ruhig der Abend doch verlief. Selbst Isidor, von dem ich wohl eher noch ein Ignorieren erwartet hätte, wollte sich mit uns unterhalten. Ich war froh, das Angelina Beschäftigung gefunden hatte an diesem Abend. Du weißt wie anstrengend sie sein kann, wenn sie sich langweilt. Und bei unseren Gesprächen hätte sie sich wahrscheinlich sehr gelangweilt. Ich glaube Sie spürt, das sie immoment nicht sehr viel an der Situation ändern kann und ich hoffe das sie mir verzeiht, wenn ich manchmal abweisend zu ihr bin.

Das erste Opfer ihrer jugendlichen Neugier wäre auch bestimmt für Dich interessant gewesen. Ein neues Haus war am Hof der Nacht aufgetaucht. Es kommt aus dem fernen Osten und residiert wohl ganz in unserer Nähe. Ein Lord mit einer Dame als Übersetzerin und einem Krieger. Lothringus unterhielt sich eine Weile mit ihnen und ich hörte zu. Das Haus war wohl der Ansicht, dass jede Herausforderung eine Ehre wäre und jeder Kampf keine Bürde, sondern etwas woran man wächst, wenn ich das richtig verstanden habe. Wenn ich doch meine Aufgabe auch so leicht nehmen könnte.

Wo wir gerade bei der Aufgabe sind. Ich hatte einige Briefwechsel mit Lyra vor dem Fest. Sie wurde von Lothringus freigegeben, aber Sie schien sehr unsicher zu sein, in Bezug auf unser Haus. Ich kann das gut nachvollziehen, bei dem was sie am vorigen Abend erleben musste… Ich will Sie nicht drängen, vor allem da sie doch schon zarte Bindungen geknüpft hat. Wir haben zwar nicht viel Zeit, doch gebe ich ihr soviel sie davon haben möchte, wenn dadurch doch nur unser sehnlichster Wunsch in Erfüllung gehen würde.

So bleibe ich weiterhin im Ungewissen, doch es gibt eine Hoffnung, die wohl niemand vorausgesehen hat. Meine Vergangenheit holte mich an diesem Abend ein und beinahe hätte ich sie garnicht erkannt. Ein Mann trat auf mich zu, wesentlich älter, als ich es damals war und zeigte mir ein Foto und einen Brief. Es kam mir alles so fremd vor und das nach dieser kurzen Zeit. Wie ist das wohl, wenn man ein paar Jahrhunderte alt ist? Kein Wunder, das sich manche so aufführen, als wären sie als Vampire geboren worden.

Es stellte sich heraus, dass er mein Halbbruder ist und mir wurde auf einmal Einiges klar. Deswegen hatte sich mein Vater immer so seltsam mir gegenüber benommen. Natürlich muss ich vorsichtig sein, ich will nicht noch weitere Personen in Gefahr bringen. Ansgar ist mein Halbbruder und auch er hatte schon Kontakt mit Vampiren. Er berichtete mir, dass er einer Dame angehörte, die wohl mit dem Hause Magnus in Verbindung stand. Leider ist sie verschwunden, seit dem Abend der Eröffnung des Club Louis. Ich riet ihm, sich an die Hausherrin zu halten und sie zu fragen, was an diesem Abend vorgefallen ist. Leider habe ich nicht mehr erfahren, was sie ihm gesagt hat, aber es muss wohl eine traurige Nachricht gewesen sein, weil ich ihn später tief in Gedanken versunken vorfand.

In der Zwischenzeit führten wir zu später Stunde das Gespräch mit Isidor von Xanten, wobei Lothringus sich sehr ereiferte. Ich war selbst ein wenig erstaunt, mit welcher Gelassenheit Herr von Xanten einige Sticheleien hinnahm. Er schien an etwas Anderem interessiert zu sein, denn ohne Zweifel hätte er sich sonst so etwas nicht gefallen lassen. Das Gespräch kam auf das Königsspiel und für einen kurzen Augenblick glaubte ich ein Funkeln in seinen Augen zu sehen. Die Situation und das Gespräch schien immer weiter ins Nichts zu laufen und so wurde sich darauf geeinigt, sich bei einem weiteren Treffen näher mit dem Thema zu beschäftigen. Wir wurden unterbrochen von den Gastgebern, die sich verabschieden wollten. Als wir uns hineinbegaben sah ich wieder Lukrezia und diesmal in sehr seltsame Begleitung. Sie lief in demütiger Haltung Jonathan hinterher und mir wurde zugeflüstert, dass sie jetzt wohl seine Erwählte ist. Du kannst Dir vorstellen, wie entsetzt ich darüber war. Nicht nur, das dass eine gefährliche Verbindung ist, nein kurz zuvor hatte sich auch noch Jonathan öffentlich vom Hause Khaan losgesagt. Ich nehme an, dass wir demnächst wohl Einiges zu tun bekommen und ich weiß, dass Du vielleicht sogar darunter leiden wirst, denn ich spüre dass Du Dich noch immer zu ihr hingezogen fühlst.

Kurz bevor wir gingen, kam noch mal Isidor auf mich zu. Er hatte gerade mit seiner Frau angekündigt, das nächste Fest auszurichten und eine Einladung ausgesprochen. Er kam auf das Thema Hausanerkennung zu sprechen und meinte, wir beide sollten doch vielleicht die ganze Situation in einem Spiel austragen. Nicht das ich sonderlich darauf bestehen würde, das er Abbadon als Haus anerkennt, aber dieses nachdrückliche Interesse an der ganzen Sache seinerseits machte mich neugierig. Was verbirgt sich dahinter? Nun, ich hoffe das wir das auf dem nächsten Fest zusammen herausfinden können. Ich warte sehnsüchtig auf Deine Rückkehr, denn wir haben noch Einiges mehr zu besprechen. Ich muss Dir noch berichten von den Genüssen dieses Abends und von den netten Gesprächen mit Santiago und einiges mehr.

Nimm Dir Zeit und dann kehr zu mir zurück, zurück nach Hause…


Luzia


Fey


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