Chroniken » Chroniken II. - Die Zeit des Wandels: Berichte und Erlebnisse vom Hof der Nacht im Jahre 2005
2005.06.28 - Vom Baume der Erkenntnis
30.06.2005 - 10:59

"Die Begierde
ist nach der Erfüllung der Wünsche
ebenso ungestillt,
wie sie es vorher war."
(Martin Luther)


Persönlichen Aufzeichnungen von Gabriel Ritter

Dienstag, 28.06.2005, 22:06 Uhr


Manche führen ein Tagebuch um sich zu erinnern. Ich führe es um zu Vergessen. Zumindest glaube ich das manchmal.

Die letzten Tage waren erfüllt mit der quälenden Gewissheit, ein Sehender unter Unwissenden zu sein. Die letzten Nächte waren erfüllt von Träumen, von denen man wünschen würde, ein Unwissender unter Sehenden zu sein. Man könnte Lachen, ob der Ironie.

Seitdem ich damit begonnen habe, hinter den Vorhang zu schauen und zu recherchieren, bin ich auf Manches gestossen, was eher Schein als Sein gleicht. Es ist schwer, einen einzelnen Stern substanzieller Information in einem Universum des Aberglaubens zu finden.

Im Zuge meiner Nachforschungen war ich unlängst auf einer Buchpräsentation, die sich um dieses Thema drehte. Zweifellos interessant, hatte ich angenommen, dort möglicherweise Antworten oder zumindest Hinweise zu finden. Vielleicht, so hatte ich gehofft, würde man dort, wo es um den Mythos ginge, auch eine Spur von Wahrheit finden - vielleicht einen anwesenden Vampir, der sich, zur eigenen Unterhaltung unter die Gäste gemischt hatte. Doch nichts dergleichen.

So sehr ich auch suchte, ich konnte nicht die typischen Anzeichen finden, die einen Untoten ausmachen. Eher im Gegenteil. Selten begegnete ich Sovielen, die sich gegenseitig darin übertrafen, den Vampir, oder das was sie dafür hielten, zu "leben". Doch ein Vampir lebt nicht, er ist tot.

Ich habe mittlerweile gelernt, auf mein Gespür zu hören und kann ein solches Wesen erkennen, wenn ich vor ihm stehe. Noch immer verstehe ich nicht, warum das so ist, aber ich fühle es einfach. Früher war es nur ein flüchtiger Nebelstreif am Rande des Bewußtseins, jetzt, nachdem ich einmal bewußt unter ihnen war, ist es eine klare Wahrnehmung. Vielleicht liegt das auch am fortgesetzten Kontakt zu Camilla. Meine Suche nach Antworten war ihr nicht verborgen geblieben und als ich ihr von meiner kleinen Erfahrung erzählte, war sie sichtlich belustigt.

Ich bin dabei, alles so vorzubereiten, wie sie es haben möchte. Es ist ein ziemliches Stück Arbeit und wesentlich schwieriger, als ich mir das vorgestellt hatte. Als Schreiber ist man nicht unbedingt erfahren im Umgang mit den Mühlen der Bürokratie, inbesondere wenn es um solche Fragen wie Konzessionen, Eintrittspreise (übrigens 6 EURO), Einladungen und Dergleichen geht.

Aber der Club wird rechtzeitig eröffnen, wenn auch alles aus rein finanziellen Gründen einen Hauch kleiner wird, als sie es sich ursprünglich gewünscht hatte. Ihre Vorstellungen sind ja auch von Plantagen und Herrenhäusern geprägt.

Sie hat beschlossen, diesen Ort in "Club Louis" umzutaufen und als sie dies verkündete, vermeinte ich ein schelmisches Blitzen in ihren Augen zu sehen und eine leichte Farbveränderung in Richtung grün. Das war meist ein sicheres Indiz, dass sie sich köstlich amüsierte. Die ganze Unternehmung scheint sie köstlich zu amüsieren, immer noch.

Ich bin mir nicht sicher, was Camilla eigentlich mit ihrem Vorhaben bezweckt, aber ich versuche, ihre Beweggründe nicht allzusehr zu hinterfragen. Aus meiner Sicht wird es sicherlich eine interessante Sache werden und mich voranbringen. Eine Möglichkeit mehr zu lernen, zu erfahren, zu hinterfragen.

Angesichts der Tatsache, wie schwer es ist, SIE aufzuspüren, scheint mir der umgekehrte Weg durchaus vielversprechender zu sein.

Dieser Ort, nun er hat etwas, insbesondere seit sie hier gewesen ist und wir begonnen haben, für etwas Einrichtung zu sorgen. Es ist ein ganz merkwürdiges, beinahe verheissungsvolles Sehnen. Wie das zarte Gefühl, wenn Fingerspitzen über die eigene Haut streichen, die Vorahnung einer Berührung. Wie der goldene, lockende Duft von süßem Honig und Gewürzen. Wie ein samtener Geigenton im dunkeln Blau einer schwülwarmen Sommernacht.


Mercurius


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