Chroniken » Chroniken I. - Prologe: Berichte und Erlebnisse vom Hof der Nacht bis 2004
2004.01.15 - Prolog IV.: Camillas Bericht der Ereignisse
01.02.2005 - 08:48

Louis, mein Liebster!


Einmal mehr besuchte ich eine Zusammenkunft der UNSRIGEN, die, wie Du weisst, in mehr oder minder regelmässigen Abständen hier in der Umgegend stattfinden.

Ach, mein Herz, was soll ich Dir berichten?

Es scheint, als ob jeder Abend, an dem ich zugegen bin, fast zwangsläufig tragisch endet...

Aber ich will Dir der Reihenfolge nach von jener Nacht berichten, so wie ich es immer getan habe.

An jenem Abend hatte ich mich schon etwas verspätet, da ich, als ich in den Spiegel schaute, mit meinem Aussehen mehr als unzufrieden war, ich musste meine Blässe noch besser verstecken.

Ich wusste, dass bei diesem Treffen viele Sterbliche zugegen sein würden und ich wollte sie nicht erschrecken, zumal ich noch nicht getrunken hatte und mein blasses Aussehen sie wohl sehr irritiert hätte.

Als ich endlich fertig gekleidet und geschminkt war, liess ich eines dieser cremefarbenen Miet – Automobile kommen und fuhr zum Schloss Steinhausen, wo das Treffen stattfand.

Die Gastgeber waren die Mitglieder des Hauses Samaria, eine Art heiliger Ritterorden, der die Gäste freundlich und mit einer geheimnisvollen „Stille“ empfing. Nachdem ich meinen Mantel abgelegt hatte, betrat ich den Festsaal, der nahezu voll war mit Sterblichen, von denen einige wenige von UNS wussten oder ahnten, aber der grösste Teil von ihnen war gänzlich ohne Ahnung.
Instinktiv suchte ich nach Gabriel und zu meiner Beruhigung konnte ich feststellen, dass er nicht gekommen war, zumal ich von weitem Monsieur von Oppenheims Silhouette erkannte.

Ich liess mir daraufhin ein Glas Rotwein kommen und entspannte mich, jedoch nicht sehr lange, denn schon sah ich Falk, den Erwählten Darleens, auf mich zustürmen, um mir auf seine ungestühme und temperamentvolle, etwas übertriebene Art seine Aufwartung zu machen und mir einen Brief von Darleen zu überreichen. Wie immer war ich sehr kurz angebunden mit ihm und sehr unhöflich, was ich später am Abend noch bitter bereuen sollte. Den Brief, den er mir gab, warf ich erst einmal achtlos und desinteressiert auf einen der Tische, ich konnte ihn später noch lesen, schliesslich war ich gekommen, um mich zu amüsieren!
Ich sah mich also im Raum um, um mir jemanden zu suchen, mit dem ich mich unterhalten konnte, ganz gleich, ob sterblich oder nicht.

In einer Ecke sah ich einen jungen Mann sitzen, der mich ganz offensichtlich ansah, nachdem ich ihn ebenfalls offensichtlich gemustert hatte, er schien mir interessant, nicht bloss, weil er sehr attraktiv war, sondern, weil er etwas ausstrahlte, ich wusste jedoch nicht, was und so ging ich zu ihm, um es heraus zu finden.
Sein Name war David Mc Callum, er kam aus Schottland und handelte mit Antiquitäten, was mein Herz höher schlagen liess, denn, wie Du weisst, suche ich solche Möbel, die aus UNSERER Zeit stammen, und so fragte ich ihn, ob es ihm möglich sei, solche zu besorgen.

Er sagte, dass er dafür Zeit bräuchte, worauf ich ihm entgegnete, dass weder Zeit noch Geld eine Rolle spielten. Er sah mich verwundert an und sagte mir, dass ich doch eine sehr schlechte Geschäftsfrau sei, wenn ich jedem Händler sagen würde, dass Geld keine Rolle spiele. Ich lächelte ihn an und antwortete: “Aber es ist so, es spielt keine Rolle!“ „ Sie sind eine attraktive Frau, sie könnten jeden Geschäftsmann um den Verstand bringen!“ sagte er daraufhin , worauf ich ihm sagte, dass ich dies gar nicht wolle, es sei nicht meine Art, jemandem um sein Geld zu betrügen. Er lachte nur und schüttelte den Kopf.

In diesem Augenblick erschien Monsieur von Oppenheim, um unsere Unterhaltung jäh zu unterbrechen und stellte mir dreist die Frage, ob ich ihm heute nicht die Hand reichen wolle. Ich sagte ihm mit meinem süssesten Lächeln, dass ich vielleicht sehr naiv, aber bei weitem nicht dumm sei, und so musst er sich mit einem verbalen Schlagabtausch mit mir begnügen, dem Monsieur Mc Callum einerseits mit Interesse, andererseits mit Verwunderung lauschte. Monsieur von Oppenheims finaler Satz war, dass er, wenn er einmal ein Opfer gefunden habe, an jenem festhielte, worauf ich ihm viel Spass dabei wünschte, ich wusste nun um die Gefahr, die von ihm ausging, er scherte mich nicht weiter, nein, ich wollte mich lieber in Ruhe weiter mit Monsieur Mc Callum unterhalten. Wir zogen uns in eine ruhigere Ecke zurück und Monsieur Mc Callum fragte natürlich sofort, was es mit diesem Streit auf sich hatte, und ich antwortete ihm, dass er sich vor Monsieur von Oppenheim in Acht nehmen solle, er suche den Streit.

Wir vertieften unser Gespräch über das Mobiliar, welches er mir beschaffen sollte und wollten uns für den nächsten Abend verabreden, damit er sich mein Haus ansah, um die richtigen Möbel auszusuchen. Dann schliesslich kamen wir an den Punkt, an dem er fragte, was ich tue und ich wahrheitsgemäss antwortete: „Nichts, ich BIN einfach nur!“ Ich stellte ihm eine Gegenfrage, denn er wunderte sich zusehends über die Abendgesellschaft, die er als sehr merkwürdig bezeichnete, während er sie immer wieder heimlich beobachtete. Ich fragte ihn also, wie lange er seinen Beruf als Antiquitätenhändler ausüben wolle. Er wusste keine direkte Antwort, da er meine Frage nicht verstand, obschon ich sie klar formuliert hatte. Ebenso war er verwundert darüber, dass ich heute geläufige Worte wie „Katalog“ nicht verstand und dass ich gleichwohl das Fahren eines Automobils von ihm lernen wollte, mit anderen Worten, ich führte mich unglaublich dumm auf, dennoch konnte ich nichts für meine Unwissenheit.

Dann kam, was kommen musste, ich begann, ihm zu offenbaren, WAS ich bin und in welcher Gesellschaft er sich befand.
Natürlich glaubte er mir kein Wort, erst recht nicht, als ich Dich und Lestat erwähnte. Darauf hin las ich seine Gedanken: Er war verwirrt und er verspürte Lust, wohl ob meines Anblicks. Ich aber wollte, dass er versteht, und so sandte ich ihm meine Gedanken, dass ich BIN WAS ich bin und dass ich die Wahrheit sagte. Entsetzt sprang er auf und wollte vor mir fliehen, ich verstand nicht, weshalb, ich wollte ihm nichts zu Leide tun, war ich wirklich so furchterregend? Mit Mühe und Not rang ich ihm das Versprechen ab, sich später noch einmal mit mir zu unterhalten, aber ich glaubte nicht daran, dass er zurückkehrte.

Ich ärgerte mich wieder einmal über mich selbst, darüber, dass ich mit der Wahrheit niemals weit kommen würde, selbst bei meinem geliebten Gabriel war es so, dass er aus Angst vor mir zunächst floh. Ich verstand nicht, wie es die Häuser Nekhrun und Khaan immer wieder schafften, Erwählte zu nehmen mit ihren honigsüssen Versprechen, während ich mit der Wahrheit allein blieb, weil ich keine Versprechen gab, die ich nicht halten konnte, ganz gleich, wie schön und anmutig ich für Sterbliche erscheinen musste.

Ich verliess meinen Platz und unterhielt mich mit Mercurius und einem weiteren Herrn, dessen Name mir leider entfallen ist und schliesslich mit ein paar Gesellschaftsdamen, um mich nicht zu langweilen, aber insgeheim war ich verärgert und traurig über meine Dummheit. Mir fiel plötzlich ein, dass ich Falks Brief noch nicht gelesen hatte und ich fand ihn wieder in den Händen der Dame Aurelia, der Ältesten des Hauses Samaria, die ihn soeben in Augenschein nahm. Mit gespielter Überheblichkeit und den Worten: „Ich glaube, das gehört mir!“ nahm ich den Brief aus den Händen der Dame und las ihn.

Es war ein Abschiedsbrief von Darleen, die wohl wieder zu Daniel nach New Orleans gegangen war, aber um ehrlich zu sein, las ich den Brief nur halbherzig, ich hatte anderes in Gedanken.

Aus jenen wurde ich gerissen, als die Gastgeber zu einer Zeremonie einluden, bei der einer ihrer Erwählten zu einem von IHNEN gemacht und zum Ritter geschlagen wurde. Es wurden Gebete gesprochen und der Erwählte wurde auf sehr sanftem Wege in UNSERE Welt geführt, ich bewunderte diese Art, jemanden in UNSERE Gesellschaft einzuführen.
Auch Monsieur Mc Callum sah sich dieses Ritual an und er wirkte sehr verkrampft, ich konnte spüren, dass sich Wut und Hass in ihm anstauten, als ich ihn beobachtete, wie er den Erwählten, der auf einem Altar lag, anstarrte.



Als die Zeremonie vorbei war, entschloss ich mich, noch einen Versuch zu machen und Monsieur Mc Callum anzusprechen, aber er liess es nicht wirklich zu, mit einem Male schien er mich abgrundtief zu hassen, obwohl ich ihm nichts getan hatte.

Ich entschuldigte mich, nahm meinen Mantel und lief hinaus in die sternenklare Nacht, wieder einmal hatte ich alles falsch gemacht!

Plötzlich hörte ich Monsieur Mc Callums wütende Stimme hinter mir: „ Sie sind mir noch eine Antwort schuldig!“ Ich drehte mich herum und sagte: „Die habe ich euch bereits gegeben!“ „Du bist also eine von denen?!“ „Ich ... ich weiss nicht, was ihr meint, warum dieser plötzliche Hass auf mich, ich habe nichts getan!“ „Meine Familie... IHR habt sie getötet, IHR seid Schuld an allem!“ Ich wusste bei Gott nicht, wovon er sprach, ich kannte weder ihn noch seine Familie, ich war nicht Schuld an seinem Unglück, weshalb hasste er mich plötzlich so? Seine Gedanken gingen zu schnell, als dass ich sie hätte lesen können. „Und was wollt ihr jetzt tun?“ fragte ich ihn. „Ich werde dich töten!“. Mit diesen Worten packte er grob meine Kehle und drückte zu, ich jedoch rührte mich nicht. Nach einigen Minuten gab er auf und stiess mich angewidert zurück. „Verdammt, du kannst wirklich nicht sterben!“ „Ja, ich kann nicht sterben, ich bin ein unwissendes Kind, gefangen in diesem Körper.“ „ Wie kann man EUCH töten?!“ fragte er mich in schroffem Ton. „Denkt doch einmal nach!“ „Sonnenlicht! Natürlich, Sonnenlicht!“ „Gut erraten, Monsieur! Ihr habt also tatsächlich vor mich zu töten?“ „Ja! Dich und am liebsten diese ganze Gesellschaft da oben!“ „Aber weshalb? Ich habe euch nichts getan und ich habe es auch nicht vor. Woher dieser plötzliche Hass?“ Ich bekam die Antwort, die ich erwartet hatte, dass solche, wie ich nicht natürlich seien und allein deshalb schon den Tod verdienten, worauf ich entgegnete, dass ich NICHT so sei wie SIE, ich könne durchaus Gut von Böse unterscheiden, ich könne Gefühle empfinden. „Ich werde Dich töten!“ „Gut! Wenn ihr das getan habt, Monsieur, dann sagt meinem Geliebten Gabriel, der übrigens sterblich ist wie ihr, dass es mich nicht mehr gibt!“ Ich sah ihn trotzig und traurig zugleich an, dann drehte er sich um und lief wieder in das Gebäude, während ich draussen allein im Vorhof des Schlosses blieb.

Ratlos sah ich hinauf zu den Sternen und fühlte mich schrecklich einsam, so dass ich beschloss, zurück in den Festsaal zu kehren und dort so viel von dem roten Wein zu trinken, bis es mir gleichgültig war, was Monsieur Mc Callum gesagt oder getan hatte. Zu meiner grossen Überraschung war auch Monsieur Nekhrun mittlerweile eingetroffen, sodass ich neben dem Wein auch einen angenehmen Gesprächspartner vorfand.

Doch ich sollte nicht lange Freude an dem Gespräch haben, denn plötzlich stolperte jemand sehr laut und unbeholfen die Treppe herauf, die vom Schlosseingang hinauf in den Festsaal führte. Ich erkannte, dass es Falk war, der schwer verletzt versuchte, sich in den Saal zu retten. Er war durch einen Dolch mehrfach gestochen und brach blutüberströmt am Ende der Treppe zusammen, den Dolch in seinen Händen. Sofort stürmte ich auf ihn zu und konnte gar nicht glauben, was geschehen war! Ich versuchte verzweifelt, ihn zu wecken, wohlwissend, dass es sinnlos war, dennoch wusste ich nicht, was ich tun sollte, ich war machtlos, zu schnell wich das Leben aus seinen Adern. „Falk! Was ist mit Dir? Wach auf! Bitte, wach doch auf!!!“ flehte ich, während ich über seinem leblosen Körper kniete und versuchte, ihn wach zu rütteln. „Er ist tot!“ hörte ich eine Männerstimme hinter mir sagen und konnte es nicht glauben, jemand hatte ihn kaltblütig ermordet, wieso? Er hatte niemandem etwas getan, es war nicht recht und ich bereute, dass ich ihn oft so abfällig behandelt hatte.

Dann konnte ich meine Tränen nicht mehr zurückhalten, ich beugte mich über seinen toten Körper und weinte, bis mich jemand sanft aufhob, damit Falk auf dem Altar aufgebahrt werden konnte. Als ich sah, wie vier Männer ihn wegtrugen, stiess unweigerlich Wut in mir hoch und ich schrie so laut ich konnte in die Menge der Anwesenden: „ Wer von euch war das? WER VON EUCH IST DAS GEWESEN?! “

Entsprechend meinen Erwartungen sahen mich alle schweigend an, einige erschrocken über meine überschäumende Wut, andere teilnahmlos und wieder andere betreten, eine Antwort erhielt ich jedoch nicht. Jemand versuchte, mich zu beruhigen, ein anderer suchte den Dolch, der ganz plötzlich verschwunden war und ich lief in der ganzen Unordnung den vier Männern hinterher, die Falk auf dem Altar aufbahrten. Die Dame Aurelia fragte mich höflich, ob ich wünschte, dass Gebete für Falk gesprochen werden sollten, und ich antwortete ihr mit tränenerstickter Stimme, dass ich nicht wusste, ob er christlichen Glaubens gewesen sei, aber dass es sicher nicht falsch sei. Immer noch rannen mir die Tränen wie ein Sturzbach, meine Umwelt nahm ich nicht mehr wahr, es war mir gleichgültig, dass die Gäste mich weinend und völlig aufgelöst sahen, obgleich ich eben noch voller Stolz und hochmütig erscheinen musste. Ich kniete vor dem Altar und legte meinen Kopf auf Falks Brust und bat ihn inniglich um Verzeihung, weil ich immer so schlecht und schroff zu ihm war und es tat mir wirklich von Herzen Leid. Neben mir erschien Herr von Oppenheim und machte sich lustig über mich, so erschien es mir jedenfalls, da er keinerlei Verständnis für meine Trauer zeigte, ich herrschte ihn an, dass er verschwinden solle! Auch einige Mitglieder des Hauses Samaria baten ihn höflich, aber bestimmt, zu gehen, jedoch nahm er sich nichts davon an, sondern provozierte mich weiterhin. Mit Tränen im Gesicht und all meinem Stolz sagte ich zu ihm:“ Monsieur von Oppenheim, eines werdet ihr mit Sicherheit niemals lernen, nämlich was wahre Gefühle sind!“ „Da habt ihr wohl recht!“ sagte er nur knapp in einem mehr als angewidertem Tonfall. Ebenso angewidert wandte er sich abrupt von mir und dem Altar ab und ging.

Ich weiss nicht, wie lange ich bei Falk verweilte, aber als ich mich wieder etwas gefasst hatte, fragte ich verstört nach, ob man schon etwas über den Dolch oder den Mörder wisse, aber dem war nicht so.

Ich lief umher und versuchte, etwas herauszufinden, aber es gelang mir nicht, was mich noch wütender und trauriger machte, nun besass ich schon SOLCHE Macht, und es gelang mir nicht einmal, Falks Mörder aufzuspüren. Der besagte Dolch fand sich plötzlich in Falks Händen wieder, Monsieur Bocanegra vom Hause Khaan hatte ihn als Grabbeigabe gedacht, und so gab ich meine Suche auf, ich hatte auch nicht mehr die Kraft, weiter zu denken. Ich verfügte, dass Falks Leichnahm nach New Orleans verbracht werden solle, damit er in der Nähe von Darleen war und sie in seiner Nähe. Zum Schluss dieses traurigen Abends begab es sich, dass Monsieur Mc Callum nun doch noch mit mir sprechen wollte, er schien wohl beeindruckt, dass ich tatsächlich EMPFINDEN konnte, dass ich keine eiskalte Mörderin war und dass ich ehrlich zu ihm war, was mein Dasein betraf, er hatte mir Unrecht getan, vielleicht wollte er es wieder gut machen, ich war verwirrt und hatte keinen rechten Gedanken mehr für ihn frei und so verabredeten wir uns für einen Abend in den folgenden Wochen.

Ach mein Herz, muss denn wirklich jeder Abend, an dem ich zugegen bin, auf eine tragische Weise enden?
Ein Mensch, der MICH töten will und ein anderer, der gestorben ist...
Vielleicht meint es das Schicksal doch nicht so gut mit mir, wie ich anfangs dachte.

Ich vermisse Dich und ich würde am liebsten wieder fortgehen von hier, aber ich habe ja Gabriel und dafür sollte ich mehr als dankbar sein...


In Liebe,


Dein Dunkler Engel,


Camilla


Alex


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