Chroniken » Chroniken I. - Prologe: Berichte und Erlebnisse vom Hof der Nacht bis 2004
1999.07.30 - Prolog I: Camillas Bericht der Ereignisse
07.08.2004 - 09:05

Louis, mein Liebster!



Endlich will ich Dir von meinen Erlebnissen der letzten Wochen berichten, wie ich es Dir versprach.

Du erinnerst Dich doch, dass Tristan mich zu einem seiner Spieleabende einlud, an denen Menschen Vampire spielten.

Ich folgte also seiner Einladung, und was ich an jenem Abend sah, amüsierte mich doch über die Massen: WIR waren sogenannten Clans zugeordnet, von denen jeder seine ihm typischen Eigenschaften und Male besass, es gab Magier unter ihnen, Entstellte und sogar solche, die sich in Raubtiere verwandeln konnten.

Allesamt Eigenarten, die WIR in Wahrheit gar nicht besitzen, und selbst der Hässlichste von UNS ist längst nicht so entstellt, wie in diesem Spiel dargestellt wurde, überhaupt kann ich mich nicht erinnern, je einen enstellten oder gebrechlichen Vampir gesehen zu haben.

In diesem Spiel gibt es eine strenge Hierarchie der „Vampire“ untereinander, das Oberhaupt ist der Prinz der jeweiligen Stadt, vor dem ich sogar niederknien musste als „Gast“. Innerlich musste ich lachen, wenn dieser zugegebenermassen hübsche Junge, der die Rolle des Prinzen spielte, nur gewusst hätte, WER dort vor ihm kniet.
Er bemühte sich sichtlich und auch glaubhaft das zu darzustellen, was ich BIN. Welch eine Ironie, einmal abgesehen davon, dass mich das Blut des Jungen reizte.

Desweiteren wurden im Verlauf des Spiels mehrere „böse“ Vampire gefangen genommen und später hingerichtet, auch etwas, was nur in diesem Spiel in dieser Weise vorkommt, denn so schnell und leicht töten WIR einander nicht, einmal abgesehen davon, dass das Böse doch mehr oder minder Ansichtssache ist, nicht wahr?

Aber alles in allem hatte ich an diesem Abend meinen Spass und war abgelenkt von meiner Einsamkeit.

Etwa zwei Wochen später, um genau zu sein, war es letzten Mittwoch, erhielt ich einen Brief, von einem gewissen Monsieur Isidor von Xanten.

Ich las diesen Brief und muss zugeben, dass ich viele Wörter nicht verstand und auch kein Datum ausmachen konnte, jedoch interpretierte ich diesen Brief als eine Einladung von einem von UNS.

Ich erschrak zunächst und geriet in Panik, wie hatte dieser Herr mich ausfindig machen können, da niemand ausser Dir weiss, wohin ich gegangen bin?

War es vielleicht eine Falle von Jerome, der mich mit viel Mühe wiedergefunden hatte?

Nach mehrmaligem Lesen der Einladung verwarf ich diesen Verdacht jedoch, denn ich vermutete, dass Jerome ein genaues Datum genannt hätte, die Gelegenheit, mich so einfach in seine Gewalt zu bekommen, hätte er sich sicherlich nicht entgehen lassen.

Ja, wo war nur das Datum; der Ort der Einladung war eindeutig beschrieben, aber es fehlte das Datum. Vermutlich war es verschlüsselt, je öfter ich den Brief las, desto überzeugter war ich davon.

Schliesslich wurde ich wütend über meine Unzulänglichkeit, dieses Rätsel lösen zu können und fragte meinen Agenten, Herrn Selders, was des Rätsels Lösung denn nun sei.

Er las den Brief und nannte mir endlich das Datum, welches in einer Kombination aus Grossbuchstaben versteckt war.

Als er seine Aufgabe erfüllt hatte, schickte ich ihn nach Hause und machte ihn vergessen.

Und so begab ich mich voller Neugier aber ebenso voller Angst nach Sonnenuntergang zu gegebener Zeit an den beschriebenen Ort, das Wasserschloss Strünkede, welches zu Herne gehört.

Als ich an dem romantischen Schlösschen ankam, wurde ich höflich von einem Dienstboten empfangen, der mich in einen Saal geleitete, in dem schon einige Herrschaften an Tischen platz genommen hatten.

Ich war zutiefst verunsichert und ein wenig ängstlich... SO viele von UNS hier an einem Ort?

Ganz deutlich spürte ich, dass ein paar sehr Mächtige anwesend waren.

Als ich die Herrschaften ansah, fühlte ich mich plötzlich sehr unangemessen gekleidet, sie waren grösstenteils in der Mode ihrer jeweiligen Epoche erschienen, während ich mich für ein modernes, feuerrotes Abendkleid entschieden hatte. Zum Glück trug ich einen Schleier, der meine Augen zunächst verbarg, so dass niemand meine Unsicherheit, die ich mit meinem Charme überspielte, bemerkte.

Der Herr des Hauses, Monsieur Isidor, begrüsste mich sehr höflich und bat mich, an seinem Tisch platz zu nehmen.

Ausser Monsieur Isidor, seiner Gattin, die etwas später dazu kam und mir sassen noch zwei weitere Herren an unserem Tisch, zum einen Monsieur Hardenberg, ein sehr streng wirkender Mann, dessen Robe mich an meine Zeit erinnerte und zum anderen Monsieur Nekrhun, ein hübscher, verführerisch wirkender Geck.

Die Unterhaltung am Tisch verlief recht lebhaft, eben wie eine Unterhaltung zwischen Personen, die sich nicht kannten und nun versuchten, einander vorsichtig kennen zu lernen, niemand gab sich eine Blösse und es blieb zunächst bei zurückhaltender Konversation, wobei ich mich bemühte, alle Regeln der Etikette gebührend einzuhalten.

Die Herren schien es sehr zu verwundern, dass mein Vorhaben, jetzt, da ich wieder erwacht war, darin lag, die neuen Errungenschaften dieses Jahrhunderts zu begreifen, wie zum Beispiel das Funktionieren eines Automobils oder eines Flugzeuges.

Monsieur Isidor schien das Thema Flugzeug gar nicht zu behagen, denn er bat mich, ein anderes Thema zu wählen.

Nun, ich überliess es daraufhin den anderen Herren, zu diskutieren, es wurde sehr philosophisch, so dass meine Gedanken nach einer Weile abschweiften und ich der Unterhaltung nicht mehr folgte.

Plötzlich fragte Monsieur Isidor mich nach meiner Meinung und ich musste beschämt zugeben, dass ich dem Gespräch nicht gefolgt war, was er und die anderen am Tisch aber mit einem nachsichtigen Lächeln abtaten.

Am späteren Abend kam noch ein ganzer Stamm wild aussehender Vampire in das Schloss, sie stammten aus dem Hause Khaan und sie waren mir ein wenig unheimlich, es ging eine gewisse Stärke von ihnen aus, die für mich nicht einschätzbar war.

Ausserdem, interessierten mich andere Dinge, oder besser gesagt, Personen mehr, ich betrachtete immer wieder unauffällig Monsieur Nekrhun, so wie auch er mich zu beobachten schien...

Es kam dann jedoch so, dass der Tisch sich auflöste und ich von allen drei Herren nacheinander zu einem Spaziergang eingeladen wurde.

Zuerst ging ich mit Monsieur Isidor durch den Park, aber da so viele Eindrück auf mich einstürmten, kann ich den Inhalt unseres Gespräches nicht mehr wiedergeben.

Mit Monsieur Hardenberg unterhielt ich mich sehr gut, da er aus UNSERER Epoche stammt, jedoch.... er war damals wie Du, mein Liebster, er hatte eine Ausbildung genossen, er war reich, so vermute ich jedenfalls, und hatte Besitztümer und ich ... ich .... ich sprach an dieser Stelle nicht weiter, ich bekam Angst. Ich wollte seine Gefühle lesen, jedoch ergab sich keinerlei Gelegenheit dazu.

Dann schliesslich ging ich mit Monsieur Nekhrun aus und dies war für mich das leichteste aller Gespräche, ich musste nicht sehr viel nachdenken, es wäre auch eher hinderlich geworden, denn ich spürte, dass mein Hunger langsam aufkam und ich hatte durchaus keine Lust mehr, wirklich ernsthafte Gespräche mit zuviel Tiefsinn zu führen, nein, mir stand der Sinn nach etwas ganz anderem, nachdem Monsieur Nekrhun seinen ganzen Charme spielen liess und mich immer wieder wie zufällig berührte.

Ich las seine Gefühle und sah, dass er in gespannter Erwartung harrte, was mich betraf. Ich wagte jedoch nicht, zu ergründen, wie weit diese Erwartungen gingen.

Gegen Ende des Abends kam es überraschenderweise zu einem Eklat, in dem sich Monsieur Isidor und ein Herr des Hauses Khaan über ihre jeweiligen Bräuche zu streiten schienen, ausserdem beanspruchte Monsieur Isidor plötzlich das ganze umliegende Gebiet, die Städte des Ruhrgebiets, als das seine und niemand konnte seine Einsprüche so recht nachvollziehen, was zu einem grösseren Streit führte, aus dem ich mich aber heraushielt.

Schliesslich gaben sich die Mitglieder des Hauses Nekrhun gelangweilt von allem und sprachen eine Einladung ihrerseits zu einer Festivität aus und Monsieur Nekrhun wandte sich dabei direkt an mich, nun, dieser Einladung werde ich wohl kaum widerstehen können....

Aber was soll ich bis dahin tun?

Eigentlich war ich zu diesem Treffen gekommen, um etwas über dieses Jahrhundert und seine Menschen zu lernen, aber alles was ich vorfand, war mehr oder minder eine Gruppe von Anachronisten, die gefangen in ihrer Zeit schienen, so jedenfalls war mein Eindruck.

Einzig und allein das „Schicksal“ in Form eines Narren machte mir Hoffnung; es war ein Vampir, der sehr Deiner Beschreibung von Santiago, dem Possenreisser aus dem Pariser Theater, ähnelte. Er legte sogenannte Tarotkarten und sagte, dass ich jemand Besonderen finden würde, jemanden, der sich meiner annimmt und mich lehrt....

Bloss... wer soll dies sein?

Ich solle Geduld haben, sagte das Schicksal, aber wie Du weißt, ist Geduld nicht gerade meine Stärke und ich fühle mich sehr einsam hier in Deutschland, obwohl ich nun „Nachbarn“ kennengelernt habe.

Ich weiss nichts über diese Zeit, ihre Bräuche und Sitten, und wenn ich nicht den Agenten hätte, den Du mir zur Verfügung gestellt hast, wäre ich wahrscheinlich längst tot.

Ach, Louis, mein Herz, mein Mut zu einem neuen Anfang hat mich ein wenig verlassen und vermutlich ist es das Beste, wenn ich mich wieder schlafen lege und auf die Einladung des Monsieur Nekrhun warte...




In Liebe,


Dein dunkler Engel


Camilla


Alex


gedruckt am Heute, 10:20
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