Chroniken » Chroniken VIIII. - Die Zeit der Scherben: Berichte und Erlebnisse vom Hof der Nacht im Jahre 2012
2012.02.15 - Intermedium: Was bisher geschah
16.02.2012 - 10:04

"Um das Morgen zu verstehen, müssen wir uns dem Gestern zuwenden."

So sagte man im Haus des Raunens und es liegt ohne Zweifel eine gewisse Weisheit darin. Und natürlich eine gewisse Ironie, denn wir wissen ja alle, was aus diesem Hause wurde. Narren.

An der Schwelle der Zeit der Scherben sollten wir also einen Blick zurück auf das Bild richten, welches sich uns zum Ende der Zeit des Kreises am Hofe darbietet. Ohne Zweifel kann dies weder vollständig richtig noch allumfassend sein, dennoch ist es unsere Aufgabe, auf jene Konstellationen hinzuweisen, die die Ausgangssituation für die zukünftigen Ereignisse darstellt.

Beginnen wir mit Haus Nekhrun, welches offenkundig gestärkt aus der Zeit des Kreises hervorgegangen ist. Der Fortgang von Vicente von der Familie Asusena, der nach einem verlorenen Königsspiel auf dem Kumbh Mela das Feld räumen musste, hat keinesfalls eine Schwächung herbeigeführt, sondern eher im Gegenteil zu einer engeren Verbindung beider Häuser beigetragen.

Die Wunde, die im Gefüge des Hofs der Nacht klaffte, wurde von Haus Nekhrun nach vorherrschender Meinung in Teilen gefüllt. Doch könnte es verwundern, dass das Brodeln und die Unruhe, die die jüngere Vergangenheit kennzeichneten, all die Zeichen und Verbindungen das Haus der Versuchung derart unbewegt gelassen haben, dass es nicht wenige gibt, die davon sprechen, man wäre sosehr mit sich selbst beschäftigt, dass man sie schlichtweg nicht wahrgenommen hätte.

Letzteres kann man von Haus Chimaera nun wirklich nicht behaupten. Bereits früh hatte die Gräfin die Zeichen der Zeit erkannt und selbst das überraschende Erscheinen einer Person, von der man annimmt, dass sie ihr Vorfahre wäre, hat das Haus nicht von seinem eingeschlagenen Weg abbringen können. Der Tanz der Schatten, den die Gräfin wohl auch als Ausdruck ihres politischen Willens und Fanal ihrer Entschlossenheit verstanden haben möchte, hat insbesondere hinter den politischen Kulissen für Furore gesorgt. Zumindest wird man Haus Chimaera hinterher nicht nachsagen können, untätig geblieben zu sein.

Im Auge des aufziehenden Sturmes sieht sich, wie stets, Haus Fox. Nicht ungeschickt gelang es Sir Archibald seine Familienangelegenheiten auf dem Kumbh Mela auf eine Weise zu ordnen, die das Haus in der Öffentlichkeit in gutem Lichte dastehen lässt. Wie stets um Ausgleich bemüht, verliert das Haus jedoch nie seinen eigenen Vorteil aus den Augen. Unter dem Strich muss die Bilanz schließlich schwarze Zahlen ausweisen, und wenn dafür etwas rotes Blut fliessen muss, so sind das notwendige Abschreibungen. Deutlich hat Sir Archibald seinen Finger auf einige, nicht nur aus seiner Sicht, wie klaffende Wunden brennende Themen gelegt. Jetzt wartet er ab und beobachtet, ob er gehört wurde.

Ob Haus Hardenberg den Ruf vernommen hat? Zumindest zeigt man sich, wie eh und je, kühl und stringent. Spätestens auf dem Tanz der Schatten konnte man einen Wachwechsel in der Familienstruktur des Hauses ausmachen und die Bluttaufe von Saskia sollte auch nicht unerwähnt bleiben. Im Übrigen hat sich Haus Hardenberg auch in der Zeit des Kreises als Eckpfeiler der konservativen Stabilität erwiesen und eine offensichtlich abwartende, oder besser noch, lauernde Haltung eingenommen.

Ähnliches kann man von Haus Einherjar berichten, dass zwar oftmals lautstark präsent ist, aber doch selten politisch wird. Gleich zu Beginn der Zeit des Kreises hatte man sich auf dem Asgardareid heftigst mit Haus Romanus angelegt und nicht Wenige befürchteten dass dieser Streit sich zu einer Fehde oder gar, um einen Ältesten zu zitieren, zu einem Flächenbrand auswachsen könnte, allein - Haus Romanus hat erst unlängst seinen einstweiligen Abschied vom Hofe genommen und so blieb zumindest dieses Verhängnis aus.

Verhängnisvoll hingegen war die Zeit des Kreises für Haus Khaan. Auch dort hat man einige Zeichen sehr wohl wahrgenommen und die Initation sollte vermutlich eine Antwort sein, doch nahm bitteres Verhängnis seinen Lauf und eine Bluttaufe wurde zum Fiasko, dass das Haus gleich zweifach schwächte. Bemerkenswerterweise scheinen die Umstände, die dazu führten niemanden außerhalb vielleicht eines kleinen Kreises wirklich zu beunruhigen, dabei liegt es auf der Hand, wie das zu deuten ist.

Schwerer zu deuten ist die Lage des Hauses Magnus. Die Zeit des Kreises meinte es nicht gut mit Lawrence und seiner Familie. Sein Salon hinter den Spiegeln stand wahrlich unter einem Unglücksstern und seitdem wirkt das Haus seltsam rastlos. Sicherlich hat er den Finger stets am Puls der Zeit und hatte er bereits in der Zeit des Siegels einige Entwicklungen vorausgeahnt. Insofern könnte das Verhalten des Hauses auch ein Spiegel der Dinge sein, die sich ereignet haben und noch ereignen werden. Doch mag man die Frage aufwerfen, ob am Ende auch hier nur Scherben übrig bleiben werden.

In diesem Zusammenhang sollten Haus Samaria und Haus Asmodeus nicht unerwähnt bleiben, die auf dem Tanz der Schatten am Hofe nicht nur deutlich präsent waren sondern offensichtlich auch Absichten hegen. Absichten hat auch Haus Isis, welches sich wie eine Schlange zu häuten scheint, was man auf dem Kumbh Mela wahrnahm und vielleicht erklären könnte, warum das Haus sich seltsam zurückhaltend gibt. Andererseits gibt es Manche, die das Sprichwort von der Schlange zitieren, die sich angesichts eines aufziehenden Unwetters unter dem Stein verkriecht.

Und das ein dunkler Wind aufzieht, scheint nicht nur für die üblichen Kassandrarufer ausgemacht zu sein. Seltsame Ereignisse und sich erfüllende Zeichen, neue geheime Orden in Hinterzimmern, mysteriöse Verbindungen jenseits des Hofes und das beständige Geflüster um Erblose und eine Ausdünnung des Schleiers - können das wirklich nur Geschichten sein, mit denen man seinen Nachkommen im Morgengrauen Angst einjagt?

Es sollte nicht unerwähnt bleiben, das der Ordo Proxima in diesen Zeiten glänzend im Geschäft ist.

Der Anfang vom Ende?

Der Hof in Scherben. Die Welt in Asche.

Lasst zum Tanze aufspielen, denn noch einmal wollen wir uns am blutigen Schmerz zersplitterter Träume ergötzen.

Lasst zum Tanze aufspielen, denn die Dämmerung naht!


(Chronik unbekannter Herkunft, aus dem Buch der Zeit)


Mercurius


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