Chroniken » Chroniken VIII. - Die Zeit des Kreises: Berichte und Erlebnisse vom Hof der Nacht im Jahre 2011
2011.11.29 - Kriegs Grauen
29.11.2011 - 22:34

Zähne überall Zähne, ein riesiger Fuchs, dessen grollendes Knurren durch Mark und Bein fahren.
Blut, überall Blut und der metallische Geschmack von kaltem Blut auf den Lippen, im Mund und im Rachen.
Durst, schon so lange hatte er nichts mehr zu trinken bekommen.

Ysadora stand bewegungslos in einer Ecke und beobachtete die herunter gekommene Kreatur, welche zu ihren Füßen lag. Ketten banden das Untier an die Wand, verhinderten ein Entkommen.

Wie viele Wochen würde sie diesen Anblick noch ertragen müssen?
Wie viele Jahrhunderte würde dieser Anblick ihr noch auf der Seele lasten, wie eine offene Wunde? Eine Wunde, die, wie sie nur zu gut wusste, niemals heilen würde...

Rhoda trat in die Tür. Sie lächelte Ysadora an als wollte sie sagen: "Ich habe Dich gewarnt, ich habe Dich immer gewarnt."
Sie sah spöttisch auf das Untier nieder und zog hinter dem Türrahmen ein junges Mädchen von vielleicht 14 Jahren hervor, welches steif vor Angst alles mit sich machen ließ.
Wieso brachte Rhoda nur unschuldige Kinder?
Alle kannten die Antwort, doch niemand wagte es, sie auch nur zu denken.
"Malena meine Kleine, Du wolltest doch mal einen echten Vampir sehen, nicht wahr?", flüsterte sie dem Mädchen zu. Mit einer schnellen Bewegung riss sie der Kleinen den Arm auf und ließ das Blut vor dem Untier zu Boden tropfen.

Seine Welt explodierte in einem Wirbel von Farben. Der Geruch war überwältigend.

Das Untier sprang blitzschnell auf und dem blutenden kreischenden Mädchen entgegen, doch Rhoda zog die Kleine ebenso schnell aus dem Raum.

Das Untier wurde unsanft von den Ketten gestoppt, Knochen knirschten, das Metall der Ketten schürfte Fleisch auf.
Ysadora wandte sich ab und herrschte Rhoda in archaischem Ungarisch an.

Die blonde Vampirin musste es nicht verstehen. Sie wusste dass es reichte und sie lächelte erneut. Gefährlich und unangenehm. Sie hatte einen Dolch in Ysadoras Wunde gestoßen und drehte ihn genüsslich um. Einen winzigen Augenblick zögerte sie noch, dann gab sie das Mädchen frei.

Mit einem Stoß landete die Kleine auf den Knien in der Mitte der Zelle.
Schnell fiel das Untier über die Kleine her. Zerriss Kleider und Fleisch mit Klauen und Zähnen.
Warmes Blut verteilte sich über weißes Fleisch und kalten Stein.
Schnell erstarben die panischen, schmerzerfüllten Schreie.
Das Mädchen lag mit offenen, ausdruckslosen, kalten Augen da. Wie eine Puppe, die achtlos zur Seite geworfen worden war.
Das Untier leckte die letzten Reste ihres Lebens von den kalten Steinen des Fußbodens, als sich die roten Schleier vor Simon langsam lüfteten.
Erst sah er verstört auf seine Hände und auf den Boden vor ihm, dann auf die Leiche neben ihm.
Schließlich sah er Ysadora, sah das Leid in ihrem Gesicht.

Die Frage brannte in seinem Geist:"WARUM?". Doch er stellte sie nicht. Er wusste, dass sie noch mehr litt als er.

"Mach dem ein Ende, Ysadora. Bitte töte mich.", flüsterte er ihr zu. Doch Ysadora nahm ihn nur in die Arme und streichelte ihn wie ein verängstigtes Tier.

"Schhht... Róka. Ne fél. Sei ruhig."

Während sie diese beruhigenden Worte wie einen Befehl sprach, blickte sie steinern in die Ferne. Sie gestattete sich nicht zu weinen. Für das, was sie getan hatte, hatte sie nicht genug Tränen.
Gerne hätte sie gesagt, alles wird gut, doch das wäre gelogen gewesen. Es würde nie mehr gut werden.

Rhoda drehte sich zufrieden um und ging.

Und auch Simon hatte den Dolch in der Wunde noch einmal umgedreht. Ein weiteres mal. wie schon so oft... Eine gute Nacht...


Krieg


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