Chroniken » Chroniken VIII. - Die Zeit des Kreises: Berichte und Erlebnisse vom Hof der Nacht im Jahre 2011
2011.11.17 - Versprochen
22.11.2011 - 08:21

Schon wieder war sie alleine unterwegs in der Nacht.

Und schon wieder klopfte Lola das Herz bis zum Hals. Trotz der Lederjacke und der zwei Schichten an bunten Strumpfhosen, zitterte sie. "Es ist alles gut. Niemand verfolgt dich. Du bist hier sicher", redete sie sich im Stillen ein, während das Licht der Straßenlaternen ihr den Weg durch Melbourne leuchtete. Um sich noch etwas sicherer zu fühlen, pfiff sie leise vor sich hin. Ihr Lieblingssong von den Nine Inch Nails hatte sie bisher noch immer beruhigt. Aber heute schien er seine Wirkung zu verfehlen. Entschlossen schüttelte sie den Kopf um die finsteren Gedanken zu vertreiben. Die Gedanken an die Vergangenheit, die, obwohl sie bereits fast zwei Jahre zurücklag, noch immer so lebendig erschien. Und das obwohl sie sich doch vor allem durch den Tod auszeichnete. Durch Tod, durch Blut... aber auch durch verdammt guten Sex und einen Mann, den sie für einige Monate innig geliebt hatte. Sie strich sich die blauen Haare aus dem Gesicht und schritt hoch erhobenen Hauptes weiter. Sie hatte eine Entscheidung getroffen, sie war gegangen. Vielleicht sogar geflohen. "Und das war vollkommen richtig", sagte sie laut vor sich hin.

Wie ein lautloser Schatten verfolgte die Andere die junge Frau durch die Gassen. Die Punkerin hatte sich gerade von ihren Freunden verabschiedet und war auf dem Weg zu ihrer derzeitigen Bleibe. Mit einer Mischung aus Verachtung und Belustigung hörte sie sie ein Lied pfeifen. Das Mädchen kam sich also sicher vor, so fernab von allen, die sie so plötzlich verlassen hatte. Sie hatte nicht einmal versucht, ihren Lebensstil zu verändern und wagte es, fröhlich wie der Sonnenschein durch die Nacht zu tanzen. Doch es sollte ihr letzter Tanz sein. Sie sollte bezahlen, denn sie hatte sein Herz gebrochen. "Und das war vollkommen richtig", sagte Lola in diesem Moment. "Aber sicher war es das", antwortete die Andere leise. Lächelnd betrachtete sie, wie die junge Frau abrupt stehen blieb und mit zusammengekniffenen Augen in den Schatten starrte, der die Vampirin vor ihren Blicken verbarg.

Lola konnte eine schemenhafte Gestalt ausmachen, die sich vor ihr aus der Dunkelheit schälte. Sie konnte nicht alles erkennen, aber im Gegenlicht einer Straßenlaterne erahnte sie ein weites Gewandt, das Aufblitzen eines Kreuzes und irgend ein Schimmern um die Stirn ihres Gegenüber.

Die Gestalt kam näher. Und mit einem Mal wusste sie, wer es war, der ihr hier in der Finsternis auflauerte. Sie hätte es kommen sehen müssen.

"Du!"

"Aber natürlich," ein leises Lachen erklang. "Es war nicht ganz einfach dich zu finden meine Liebe, aber, naja, ich habe ja Zeit."

"Was willst du von mir?"

"Nur mein dir gegebenes Versprechen einlösen!"

Damit schossen Callistos Hände nach vorne und legten sich um die Kehle der jungen Frau. Diese versuchte zwar, sich zu wehren, doch schien es zwecklos zu sein.

Eigentlich hätte sie erwartet, dass ihr ganzes Leben an ihr vorbeiziehen würde. Doch das tat es nicht. Während ihr Leib sich vor Todesschmerzen auf bäumte sah sie in Gedanken nur eines. Ihn, wie er lachend auf sie zugekommen war, an diesem schicksalhaften Abend in Karlsruhe. "Wäre ich doch nie dorthin gegangen", war der letzte bewusste Gedanke der ihr durch den Kopf ging.

Als sie ihre Aufgabe beendet hatte, richtete sich die Vampirin auf. Mit einer verächtlichen Geste zerdrückte sie den zuckenden Muskel zwischen ihren Händen und leckte sich das Blut von den Fingern.
"Ich hatte dich gewarnt mein Schatz. Brichst du ihm sein Herz, brech ich dir deins!", sagte sie.

Ohne den toten Körper noch eines Blickes zu würdigen, wandte sie sich befriedigt ab.


Callisto -Kassandra-


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