Welt » 3. Wandel der Nacht- Zeitalter und Epochen
3.5. Revolutionen - Das Zeitalter der Unabhängigkeit (1763-1848)
11.07.2004 - 17:06

"Die Revolution gleicht Chronos – sie verschlingt ihre eigenen Kinder“
(Danton)


Leon schlenderte erneut verträumt durch das Anwesen seines Gönners. Der Sommer neigte sich seinem Ende zu und schon bald würden die Nächte wieder länger werden. Versonnen blieb er vor einer Glasvitrine stehen, in der ein Kleidungsstück ausgestellt war, als sich eine Hand auf Leons rechte Schulter legte. Er fuhr herum. Sein Gönner stand vor ihm und ein warmer Blick strahlte Leon aus tiefblauen, weisen Augen an.

„Leon, mein Lieber, was beschäftigt Euch?“, ließ der Gastgeber mit angenehmer Stimme vernehmen.

„Ramirez, ich grüße Euch. Dieser Gehrock hier...“, Leon wies mit einer Hand auf die Vitrine, „...gibt mir Rätsel auf. Er sieht so unscheinbar aus, dennoch bewahrt Ihr ihn wie einen kostbaren Schatz.“, antwortete Leon.

„Mit diesem besonderen Stück hier, mein guter Leon, verbinde ich Erinnerungen an eine Zeit, die so vieles von allem hatte. Ich habe es aus dem Paris der Revolution. Als die Welt begann sich von dem abzuwenden, was Jahrhunderte hindurch Gültigkeit und meine Vorstellungen geprägt hatte.“, eröffnete Ramirez, nun mit einem ernsten Blick auf Leon sehend. „Ich erlebte die Revolution. Ich sah das Volk vor der Bastille. Ich vernahm die Rufe nach Freiheit, aber vor allem nach Brot. Ich spürte das Rumoren in dem, was die Adligen „Volkskörper“ nannten, den Willen sich nicht länger dem zu beugen, was sie als Tyrannei empfanden. Auf den Plätzen wimmelte es alsbald mehr von Rednern als von Krämern.“, erzählte Ramirez, mit betroffenem Unterton in der Stimme.


„Warum empfandet Ihr diese Zeit als so schlecht?“, erfragte Leon.


„Nun, nachdem man den Adel zurechtgestutzt hatte, glaubten viele, dass nun ein besseres Zeitalter anbrach. Aber dem war bei weitem nicht so. Es herrschte in erster Linie der Krieg in Frankreich. Und genauso verheerend wie diese Kriege war die Herrschaft der selbstgerechten Revolutionäre, die nach ihrem Sieg über die Tyrannei nichts anderes im Sinn hatten, als sich gegenseitig als Monarchisten und Verräter zu denunzieren. Die Jakobiner und die Girondisten. Pah! Intrigiert haben sie und gemordet, sich verschworen und hintergangen. Womit hat es geendet? Als Napoleon den Kaiserthron bestieg, da war es zu Ende. Als die heren Ziele der Revolution unter dem Prunk des Korsen begraben wurden. Sie ermordeten den König uns machten so Platz für den Kaiser! Aber du wolltest eigentlich wissen woher ich diesen Rock habe. Er wurde mir vermacht, von einem Freund, meinem Erwählten und Opfer der Revolution.“, erklärte Ramirez. Sein Gesicht nahm eine Schwere an, die auf die starken Gefühle in seinem Inneren Aufschluss gab.


„Reden wir nicht mehr davon! Leon, wartet bitte im roten Salon auf mich!“, bat Ramirez.


Leon verneigte sich leicht und entfernte sich. Ramirez öffnete die Vitrine, als Leon ausser Sicht war und nahm den Gehrock heraus. Sein Blick fiel auf eine Stickerei im Kragen des Gehrocks. G. D.stand dort in goldenen Lettern.


 

a.) Herrscher und Kriege

-  Friedrich II: (genannt der Große) (*1712/1772-1786) bringt 1740 den Anti-Machiavelli heraus, um dann später als aufgeklärt-absolutistischer Herrscher par excellence zu wirken, großer Kriegsherr bereits vor Amtsantritt

-  Thomas Jefferson (1743-1826) führt durch seine Mitarbeit an der Declaration of Independence vom 04.07.1776 13 nordamerikanische Kolonien in die Unabhängigkeit von der britischen Krone (der Krieg zeichnet sich ab bei der Boston Tea Party 1773 und dauert von 1775 bis 1783), begründet später die Democrats gegen die Federalists (von George Washington (1732-1799) erster US-Amerikanischer Präsident 1789-1797) , eine Art Vorläufer der heutigen Republicans (die von Abraham Lincoln (1809-1865) von 1860 bis 1865 16. Präsident in den 1850ern gegründet werden) und wird dritter Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika (1801-1809)

- Katharina II. (die Große) (*1729/1762-1796) stürzt ihren Mann vom Thron und wird 1762 Zarin von Russland, große Reformerin

- Am 14.07.1789 stürmt die neugegründete Pariser Bürgerwehr die Bastille auf der Suche nach Waffen für die vielen Kriege der Zeit, die den Menschen Hunger und Elend brachten. Der luxuriösen Absolutismus ihrer Majestäten (seinerzeit Ludwig XVI. *1754/1774-1792/+1793) und die Vorrechte von Adel und Klerus bringen den Dritten Stand dazu, am 26.08.1789 die Erklärung der Menschenrecht zu verlesen, die Liberté, Egalité, Fraternité fordern. Ganz Europa gerät ins Wanken. Viele Intellektuelle befürworten die Entwicklung. Doch zeichnet sich immer mehr ab, dass es zu einer Schreckensherrschaft kommen würde. Erst werden die gemäßigten Girondisten von den weißen Jakobinern hingerichtet, danach der König, der schon fast keine Rechte mehr besitzt und größtenteils Kriegsgefangener ist und dann geht es intern weiter. Die Revolution frisst ihre Kinder: Die größten Radikalisten Robespierre und St. Just, richten Danton hin und werden letztlich selbst Opfer der Guillotine.

- Dieser Zustand (Frankreichs und Europas) macht es einem französischen Brigadegeneral, der in den britischen Reihen kämpft, recht leicht halb Europa zu erobern. Napoléon Bonaparte (1769-1821 - zwischen 1804 und 1814 und nochmal 1815 Kaiser) befolgt wohl als erster Europäer das 1782 ins französische übersetzte Werk Sunzis Die Kunst des Krieges und führt als erster Konsul Frankreichs 1804 den Code Civil ein, der im wesentlichen den Forderungen der Französischen Revolution entspricht. Doch wie viele Feldherren vor und nach ihm reibt er sich 1812 bei Moskau stark auf und beendet damit seine Serie von Siegen. Nach weiteren verlorenen Schlachten wird er 1814 nach Elba (Mittelmeer) verbannt, von wo er aufs Festland zurückkehrt und die Armeen, die ihn aufhalten sollen auf seine Seite zieht, um noch einmal 136 Tage zu regieren, verliert allerdings ein weiteres Mal gegen den Briten Wellington im belgischen Waterloo und wird diesmal direkt auf die Südatlantikinsel St. Helena verbannt, wo er auch stirbt.

-  Auf dem Wiener Kongreß 1814/15 wird ein Großteil der Veränderungen Napoleons auf der Landkarte wieder revidiert

- 1806 wird durch ihn das Heilige Römische Reich Deutscher Nationen aufgelöst und nach ihm kommt es nur zu einem lockeren Staatenbund

- Die Lateinamerikanischen Staaten erreichen mehr oder minder unblutig ab 1810 ihre Unabhängigkeit

- 1848 ist das Jahr der Revolutionen. Nach der Julirevolution von 1830 gegen die Bourbonen-Könige, kommt es in Frankreich in diesem Jahr zur Februarrevolution gegen das Haus Orleans und somit zur zweiten Republik. Louis, ein Neffe Napoleons wird Staatspräsident (und beendet die Republik indem er sich 1852 die Krone aufsetzt). Im Deutschen Bund kommt es zur Märzrevolution, die von der vorangegangenen französischen inspiriert wurde, doch größtenteils ohne direkte Folgen bleibt. Auch die österreichisch-ungarischen Aufständerischen erreichen zunächst die Flucht Metternichs nach England und einen Thronwechsel, werden aber dann nach dem Versuch einer ungarischen Unabhängigkeit 1849 niedergeschlagen.

b.) Philosophie:

- Immanuel Kant (1724-1804) revolutioniert 1781 mit seiner Kritik der reinen Vernunft die Philosophie und schafft damit die Möglichkeit zu einer modernen Naturwissenschaft. Er beendet die Streits zwischen Deterministen und Freiheitsanhängern, Empiristen und Rationalisten, Realisten und Idealisten (obgleich er durch Schriften, wie Zum Ewigen Frieden von 1795 heute selbst zu den Idealisten gezählt wird) und erschafft eine neue Moral in der Kritik der praktischen Vernunft (1788) mit dem Kategorischen Imperativ (Eine Lesart: Handle so, dass die Maxime Deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung dienen könnte!). Kants Idealismus wird weitergeführt und vollendet durch

- Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770-1831) begründet in der Phänomenologie des Geistes (1807) das dialektische Modell von These, Antithese und Synthese und kommt so zu seinem Grundsatz „Das Wahre ist das Ganze“. Er und

- J
ohann Gottlieb Fichte (1762-1814), der in Der geschlossene Handelsstatt (1800) ein frühes sozialistisches Modell entwirft, und

- Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling (1775-1854), einem radikalen freiheitsliebenden Befürworter der französischen Revolution, bilden das Dreigestirn des Deutschen Idealismus.

- Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher (1768-1834) begründet die Hermeneutik, die heute noch vorherrschende Methode der Geisteswissenschaft, die von Wechselwirkungen zwischen Personen und Ereignissen oder Texten aus- und interpretativ vorgeht.

-  Arthur Schopenhauer (1788-1860), Mitleidsethiker und Determinist

c.) Kunst:

- Goya (Francisco de Goya y Lucientes) (ca. 1746 - 1828)

- John Constable (1776 - 1837)

- Joseph Mallord William Turner (ca. 1775 - 1851), Maler des Lichts, Vorläufer des Expressionismus

- Eugene Delacroix (1798 - 1863)

- Honoré Daumier (1808 - 1879)

- Caspar David Friedrich (1774 - 1840)

- Carl Spitzweg (1808 - 1885)

d.) Literatur:

Die Literatur erreichte ihre Hochblüte, noch nie war so mannigfaltig und kontrovers publiziert worden.

- 1767-1785 setze die kurze aber wirkungsreiche Epoche des Sturm und Drang ein; gegen die absolutistische Gesellschaft wird genauso rebelliert, wie gegen das freudlose, bürgerliche Leben und die überkommenen literarischen Traditionen, insbesondere der Gottschedschen Dichtkunst; die politische Situation beflügelte die Literatur und umgekehrt.

- Der poeta doctus, der gelehrte Dichter, der sich dadurch auszeichnete, dass er die Klassiker auswendig konnte und sie so weitertrug, wurde abgelöst von einer neuen Genie-Ästhetik. Als Künstler geschätzt war nicht mehr der perfekte Handwerker, sondern der kreative Visionär. Aus gesellschaftskonformen Hauptfiguren wurden Helden, die für ihre Sache starben. Der bislang geschmähte Roman wurde erfolgreich, trotzdem feierte auch das Drama große Erfolge, da es gut war um Schicksale großer Menschen lebensnah darzubieten.

- Johann Gottfried Herder (1744-1803), der die Volksdichtung salonfähig machte, und Friedrich Gottlieb Kloppstock (1724-1803), der mit seinen zutiefst religiösen und erhabenen Dichtung neue Gefühle in die kalte Zeit brachte, waren Vorreiter der Bewegung; doch die wichtigsten Autoren sind selbstverständlich

- der junge Johann Wolfgang Goethe (1749-1832) mit seinem Tagebuchroman Die leiden des jungen Werther (1774), das die erste Teenie-Mode-Welle, (jedoch keine Selbstmordwelle) auslöste (weiteres: Drama Götz von Berlichingen 1773 und die Gedichte Prometheus 1773 und Ganymed 1774) und der junge Dramenautor

- Friedrich Schiller (1759-1805), der 1781 Die Räuber und 1784 Kabale und Liebe herausgab, auch

- Jakob Michael Rainer Lenz’ (1751-1805) Drama Die Soldaten (1776) sollte hier, wenn auch weniger bekannt, Erwähnung finden.

- Doch junge Revolutionäre werden Erwachsen und so begründete das Duo Goethe/Schiller die Weimarer Klassik (1785-1832 Goethes Tod), die als Symbiose des aufklärerischen Gedankens mit einem gemäßigteren Sturm und Drang verstanden werden kann. Goethes Faust (1808) ist neben vielen von ihm und Schiller wohl das wichtigste Werk dieser Literatur-Epoche.

- D
ie literarische Romantik (1798-1835) setzt allerdings, als Parallelentwicklung zur Klassik, auch schon hier ein, während die der Musik erst später kommt. Die Poesie war hier zentrale Gattung und Themen bezogen sich weniger, auf die als schlecht empfundene Wirklichkeit, sondern waren mehr Gedankenspiele des Autors. Eine Rückbesinnung auf die Natur, in einer durch Verstädterung gezeichneten Welt, nimmt vielleicht die zentrale Rolle ein.

- Friedrich Schlegels (1772-1829) Roman Lucinde (1799) und

- Novalis’ (Friedrich von Hardenberg) (1772-1801) Gedichte Hymnen an die Nacht von 1797 werden der Frühromantik zugeordnet. Während

- Clemens Brentanos (1778-1842) Des Knaben Wunderhorn (Volksliedersammlung, ab 1805),

- Joseph von Eichendorffs (1788-1857) Novelle Aus dem Leben eines Taugenichts (1826)

- Ernst Theodor Amadeus (E.T.A.) Hoffmanns (1776-1822) Der Sandmann von 1815

- und die Grimmschen (Jakob 1785-1863 und Wilhelm 1786-1859) Märchensammlungen der Spätromantik zugeordnet werden. Der wohl bedeutendste Dichter der Romantik

- Heinrich Heine (1797-1856) distanzierte sich allerdings vom Idealismus der Romantiker und sah die Welt so, „wie sie wirklich war“ - zerrissen und schlecht.

- Und so gab es eben auch jene, welche die Menschen „nicht bloß unterhalten“ wollten, indem sie ihnen „Lügen“ erzählten, sondern das Ziel hatten die Wirklichkeit abzubilden, wie sie ist, und sich darin zu ergehen Biedermeier oder dagegen zu revoltieren Junges Deutschland und Vormärz (alle drei in etwa 1815-1848). Franz Grillparzer (1791-1872), Anette von Droste-Hülshoff (1797-1848) und Adalbert Stifter (1805-1868) seien hier auf der Seite des Biedermeier genannt. August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798-1874) ist eigentlich der einzige heut noch wirklich bekannte Vertreter des Vormärz, die des Jungen Deutschland haben heute, bezogen auf Popularität, keine Relevanz mehr.

e.) Musik:

- Joseph Haydn (1732-1809), „Vater“ der Sinfonie und des Streichquartetts

- Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791), vielseitiges Wunderkind, Die Zauberflöte 1791

- Ludwig van Beethoven (1770-1827), des später Gehörlosen Sinfonien sind wohl seine wichtigsten Werke

- Franz Schubert (1797-1828), zu Lebzeiten verkannter Komponist besonders vieler kreativer, kleiner, poetischer Klavierkompositionen

- Hector Berlioz (1803-1869), begründete die Programmmusik (Musik die thematische Inhalte darstellt) und war leicht exzentrischer Visionär (wollte nicht finanzierbare Konzerte mit vier vollbesetzten Orchestern und vier großen Chören und dem Publikum in der Mitte, Symphonie Fantastique (1830)

- Felix Mendelssohn-Bartholdy (1809-1847), gründete 1843 das Conservatorium, erste deutsche Musikhochschule in Leibzig

Frédéric Chopin (1810-1849), zahlreiche Werke für Klavier, bei denen beide Hände sehr unterschiedliche Figuren spielen

- Robert Schumann (1810-1856), Album für die Jugend (1848)

f.) Erfindungen/Entdeckungen:

- Spinning Jenny 1764 von James Hargreaves und

- Dampfmaschine 1765 von James Watt treiben in England die Industrielle Revolution an (erst 50 Jahre später in Deutschland)

- Im September 1783 lassen die Gebrüder Montgolfier ein Schaf, ein Huhn und eine Ente auf der ersten Fahrt in einem Ballon für acht Minuten fliegen, danach kommt es zur bemannten Luftfahrt

- Napoleons Truppen entdecken den Stein von Rosetta, der das Übersetzen der Hieroglyphen möglich macht

- 1804 wird die erste Dampflokomotive in Wales in Betrieb genommen, erreicht 25 km/h und wird wegen Unwirtschaftlichkeit wieder eingestellt

- 1807 gibt es in London die erste Straßenbeleuchtung

- 1811 Friedrich Krupp gründet in Essen sein Stahlwerk

- 1817 Draisine (erstes Fahrrad)

-  Der Dampfsegler „Savannah“ überquert 1819 den Atlantik in 26 Tagen

- Samuel Morse meldet 1837 ein Patent unter seinem Namen und 1843 kommt es zur ersten Telegraphenlinie Washington-Baltimore



Daniel


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