Chroniken » Chroniken VI. - Die Zeit der Toten: Berichte und Erlebnisse vom Hof der Nacht im Jahre 2009
2009.11.15 - Moulin osseux oder Homo Humus
23.11.2009 - 22:24

Das Herz für Tiere, das hatte sie schon zu Lebzeiten, all die vielen streunenden Hunde die in der Dämmerung und im Schatten des Mainzer Doms aus ihren Verstecken kamen, ständig auf der Suche nach etwas Essbaren.

Sie hatte sich schon zu Lebzeiten damals gerne ein paar dieser Tiere mit nach Hause genommen, schon aus Prinzip da ihr Vater Angst vor Hunden hatte. Sie teilte oft ihre Mahlzeiten mit ihnen und genoss dafür in der Nacht ihre Wärme und Geborgenheit.

So zog sie auch diesen Abend los und klapperte ein paar einschlägige Plätze ab, an denen sie in den Nächten davor schon Futter ausgelegt hatte.
An ihren Händen war immer noch ein bisschen von dem Blut aus dem Raum und so musste sie nicht lange warten, bis sie das erste vorsichtige Winseln hörte.

Es brauchte etwas Geduld und ein bisschen fleischliche Überredungskunst, bis der Hunger über den Instinkt siegte.

Sie legte behutsam ihre kalte Hand auf die massigen Köpfe der Mischlinge und streichelte sie sanft und redete ihnen gut zu, bis sie einigermaßen ihre Angst überwunden hatten. Als sie wieder bei der Villa ankam versicherte sie sich erst, dass gerade keiner in den Korridoren war, dann nahm sie einen kleinen Gegenstand aus ihrem Zimmer und den Schlüssel für den Raum.

Die Meute wartete noch etwas unsicher draußen, es waren sechs oder sieben große Tiere. Sie lockte sie durch die Gänge und in den hintersten Teil der Villa. Das Schloss war gut geölt und so hörte man fast kein Geräusch als sich die Tür nach dem aufschließen öffnete.

Sie legte bedeutungsvoll den Finger auf Ihre Lippen und lächelte die vielen erwartungsvollen Augen an, so dass ihre weißen Fänge sichtbar wurden.
Sie ließ alle Hunde, bis auf einen, passieren und lehnte sich zufrieden an die Tür und lauschte noch ein bisschen verträumt dem schmatzen und mahlen der Kiefer.

Das Winseln des einzig ausgeschlossenen Exemplars drang nur langsam in ihr Bewusstsein.

Sie musterte ihn kurz: er war hochgewachsen, hatte wuschelig schwarzes Fell und süße Schlappohren. Er hob die Pfote vor zwei kluge braune Augen und senkte den Kopf, so als ob er um etwas betteln würde. Ein Kunststück das ihm bestimmt sein früherer Besitzer beigebracht hatte.

"Vergiss die alten Tricks mein Kleiner, die brauchst Du hier nicht.", damit zog sie den kleinen Gegenstand hinter ihrem Rücken hervor und legte dem Pudel das rote Halsband mit den schwarzen Steinen um.

Als sie wieder aus Dory Anns Zimmer trat, welche noch auf Haus Morgenröte verweilte, fiel ihr Blick auf den kleinen Tisch am Eingang, dort lag immer noch die Visitenkarte, die sie vor nicht all zu langer Zeit unter der Türschwelle gefunden hatte.

Sie trat an den Tisch und nahm sie in die Hand. Sie wählte die Nummer, die darauf zu lesen war und nannte nur ein Datum und eine Uhrzeit, an dem sie die Reste vorbei bringen lassen würde, eine Antwort erwartete sie erst gar nicht.

Das Schweigen, auf der anderen Seite der Leitung, klang einvernehmlich und so legte sie auf. Zufrieden und beschwingt tanzte sie die Treppen hinauf und wartete bis ihre Familie nach Hause kommen würde.

Zurück blieb die Visitenkarte und ein neugieriger Leser hätte sich vielleicht über den Firmennamen und den Spruch, der zu der Nummer gehörte, gewundert:

"Moulin osseux" und drunter in feinen, akribisch sauberen Buchstaben "Wir mahlen weiter!".


Fey


gedruckt am Heute, 12:07
http://www.theater-der-vampire.de/include.php?path=content/content.php&contentid=1026